Die Unschuld des Kindes
„Kannst du mir das große Seil von dort drüben holen?“ Sein Vater zielt mit dem Finger auf den hinteren Teil der Hütte, der trotz der vielen Sonneneinstrahlung von Dunkelheit überzogen ist.
Er nimmt all seinen Mut zusammen und stapft wie ein Soldat mit seinen kleinen roten Lego-Ninjago Schuhen in die Dunkelheit hinein. Sein Kinderherz pocht wie verrückt und beinahe wäre er gegen eine, für ihn rießig vorkommende, Leiter gestoßen.
Minuten später ertönen leise hastige Schritte, gefolgt von einem schleifenden Geräusch und schließlich taucht die giftgrüne Mütze samt Danny auf.
„Wieso hat das so lang gedauert, Mhm?“ Er schaut Danny fragend an, der wiederum beleidigt seine knallroten Schuhe anstarrt. „Siehst du das weiße Tuch dort auf dem Tisch?“
Ein unsicheres Kopfnicken beantwortet die Frage.
„Hol es mal bitte her.“
Ein zweites Mal hat er nicht vor, seinen geliebten Vater zu enttäuschen.
Nun also schnell. Vorbei an der Leiter, der Stuhl neben ihm muss her, um auf den hohen Tisch zu gelangen. Mit voller Kraft wird der tonnenschwere Sessel mühsam zum Tisch gezogen und das Tuch vorsichtig in der Hosentasche verstaut.
„Das hast du gut gemacht Danny, aber fertig sind wir noch lange nicht.“
„Und wann darf ich Vickie und die starken Männer sehen?“
„Gleich mein Schatz. Und als Belohnung, weil du so brav heute warst, darfst du auch ein paar Kekse von Mama essen. Klingt das nicht gut?“
Ein breites Grinsen macht sich bemerkbar.
„Super, dann komm mal mit.“
Vater voran, mit schwermütig großen Schritten, Sohn mit vielen, kleinen Schritten hinterher.
Ein Schmetterling fliegt vorbei, ein schöner Gelber.
„Geh bitte, Danny wo bleibts du?“
In diesem Moment saust ein Rabe vorbei, vom Schmetterling fehlt jede Spur.
Vaters Stimme folgend, bleibt der Junge hinter der Hütte und vor seiner liegenden Mutter stehen.
„Hallo Mama! Papa hat gesagt ich darf, wenn ich brav bin, deine Kekschen essen.“
Keine Antwort.
„Mami geht’s grad nicht gut. Sie hat schweres Fieber musst du wissen.“
„Wann wird sie wieder gesund Papa?“, fragt Danny betrüg.
„Magst du ihr helfen?“ Ein fragender, fast schon fordernder Blick trifft Danny.
Kopfnicken.
„Sei so lieb und wisch mit dem Tuch in deiner Hosentasche die rote Farbe weg, die auf Mami klebt.“
Zuerst zögert er.
„Magst du nun fernschauen oder nicht? ?“
Da steht schon Danny vor seiner Mutter mit dem Fetzen in der Hand und kommt anschließend mit triefendem Tuch wieder zurück. Stolz händigt er es seinem Vater aus.
Etwas Schwarz-Glänzendes wird hervorgeholt. Danny
„Mit dem hier kannst du Mami helfen. Es wird kurz laut, aber dann ist sie wieder ganz gesund.“
„Versprochen?“
„Vaterehrenwort.“
Das schwarze Ding liegt schwer in Dannys Hand.
Eine kurze Geste zeigt ihm, wie er es richtig anstellt.
Mit beiden Armen zielt Danny auf seine Mutter.
Eine Hand streichelt durch sein Haar: „Du schaffst das mein Schatz!“
Mit noch ausgestreckten Armen wandert Dannys Blick in Richtung der Bäume
und entdeckt den Raben - spöttisch grinsend.
Einen Augenblick später ist der Rabe fort.
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