Die Wahrheit über den Tod!
Mühsam und ständig blinzelnd schlug ich die Augen auf.
Ich sah mich um. Mich umhüllte nichts außer tiefster, unendlicher Dunkelheit. „Ist da jemand?“, krächzte ich in die Schatten. Nichts.
Als ich erneut rufen wollte, nahm ich in der Finsternis ein pulsierend strahlendes Lichtpünktchen wahr, das gemächlich auf mich zu kam.
Als das Lichtpünktchen die Größe eines Menschen erreicht hatte, bat es mich sanft: „ Öffne die Augen und hab keine Angst.“ Ich erblickte eine durchscheinende, milchig weiße, menschenähnliche Wolke.
Mich durchflutete schreckliche Gewissheit. Dennoch fühlte ich nur Ruhe und Gelassenheit. So machte ich meiner grauenhaften Ahnung Luft und fragte: „Bin ich im Jenseits? Bin ich tot?“ Ich hatte schon immer Angst vor dem Tod gehabt, doch irgendwie verhinderte das Wesen, dass ich weinend an meiner Angst zu Grunde ging.
„Du kannst es Jenseits nennen, wenn du willst, aber nein, noch bist du nicht dort. Aber du bist tot, das stimmt,“ bejahte das Wesen.
„Wo bin ich dann? Und wer bist du? Warum bin ich nicht im Jenseits?“ Ich feuerte die Fragen in schneller Folge ab. Denn ich war verdammt nochmal tot, da hatte ich zumindest das Recht auf Antworten.
„Du bist im Zwischensein, einer Ebene zwischen Leben und Tod. Dort kommen alle Seelen hin. Wer ich bin ist kompliziert, du kennst mich vermutlich als Todesbote.
Nenn mich einfach Jeff.
Nun ist es an der Zeit dir die Wahrheit über den Tod zu sagen: Er ist nicht das Ende, auch wenn es allgemein bekannt ist. Er ist das genaue Gegenteil. Er schenkt den guten Menschen ewiges Leben mit all ihren Lieben oder er schickt die, die es wünschen, in ein weiteres irdisches Leben, allerdings ohne Erinnerungen. Ich helfe ihnen dabei.“
Spätestens jetzt hielt ich Jeff für verrückt und mich auch. Es würde bedeuten, dass ich mich ein Leben lang grundlos gefürchtet hätte.
Jeff redete einfach weiter: „Bisher gab es nie Ausnahmen, doch der Tod macht dir ein unschätzbar wertvolles Angebot. Wenn du ein weiteres Leben wünschst, behältst du die Erinnerung an die Wahrheit über ihn. Keiner hat sein Herz je so berührt, dass er diese Ausnahme macht.“ Mit diesen Worten ließ er mich allein.
Ich fasste es nicht. Das Wesen, vor dem ich mich zu Lebzeiten so schrecklich gefürchtet hatte, gab mir die Chance auf ein Leben ohne die lähmende, alleseinnehmende Angst, wegen der ich mich oft zitternd, schluchzend und voll Panik verkrochen und geweint hatte.
Doch konnte ich sie annehmen? Im Jenseits würde ich all meine Lieben wiedersehen. Das hatte ich immer gewollt. Doch wollte ich es jetzt noch? Was für ein irdisches Leben würde ich führen?
Da ich nicht weiterkam, schloss ich die Augen und entschied aus dem Bauch heraus. Ich öffnete die Augen und sah Jeff direkt an. „Du hast deine Wahl getroffen, ich wünsche dir viel Glück. Egal wohin du gehst, du wirst ohnmächtig werden und dort aufwachen, wo du hinwolltest,“ meinte Jeff. Mit dem letzten Wort wurde mir schwarz vor Augen.
Mühsam und ständig blinzelnd schlug ich die Augen auf.
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