Die Zukunft
Es herrscht Stille, und ich fange an mich zu wundern, ob es jenseits dieser Stille noch Leben gibt. Leben. Meine Gedanken bringen mich zurück in die Zeit vor dem 22. Jänner. Die Vergangenheit. Ich hatte immer Angst vor der Zukunft, doch jetzt, wo sie da ist, fühle ich weder Angst noch Freude. Was ich fühle, weiß ich nicht genau. Ich weiß nur, dass es sich nicht gut anfühlt.
Als Kind habe ich mich immer gefragt: Wann endet die Vergangenheit und wann fängt die Zukunft an? Es kann doch nicht von heute auf morgen Zukunft sein, oder? Jetzt habe ich die Antwort. Passiert etwas so Großes, so Bedeutendes, dass es dein und das Leben anderer - das Leben von 8 Milliarden Menschen - grundlegend verändert, dann ist die Zukunft angebrochen. In alten Geschichten - Geschichten aus der Vergangenheit - wird über die Zukunft im Zusammenhang mit noch modernerer Technik, noch größeren Häusern und noch mehr Menschen gesprochen. Manche träumten davon, ein Teil der modernen Zukunft zu sein, andere fürchteten sich davor. Ich hatte immer eine relativ neutrale Einstellung. „Es kommt, wie es kommt“ lautete mein Motto in jeder Lebenslage. Doch dass es so kommen würde, hätte ich nie geahnt.
Eine Zukunft mit noch mehr Menschen hätte sich niemand gewünscht. Eine Zukunft, in der Platz- und Nahrungsmangel ein noch größeres Problem darstellen, eine Zukunft, in der Naturkatastrophen noch verheerender enden. Naturkatastrophen. Die einzige Naturkatastrophe ist der Mensch, denke ich laut. Niemand hört mich. Da ist niemand, der mich hören könnte.
Arten sterben regelmäßig aus. Das ist der Lauf der Natur. So musste auch die Ära der Menschheit ein Ende finden. Dieses Ende ist gekommen. Ich weiß nicht mehr genau, wie es passiert ist, ich weiß nur, es war ein Virus. Eine Krankheit, die 8 Milliarden Menschen einfach so ausgelöscht hat. Minus Eins. Ich weiß nicht genau, warum ich derjenige sein musste, der den Virus und seine Folgen überleben konnte. Es ging schnell. Innerhalb von 3 kurzen Tagen war jeder, den ich jemals geliebt hatte, weg. Nicht mehr da. Niemand ist mehr da.
Natürlich weiß ich nicht, ob es da draußen noch andere meiner Art gibt, doch einen Unterschied würde das nicht machen. Es besteht keine Chance, die Menschheit wieder so aufzubauen, wie sie mal war. Ich schreibe diesen Brief an zukünftige Arten, die intelligent genug sein werden, ihn zu entziffern.
Ich möchte, dass sie wissen, sie müssen vorsichtig mit dieser Welt umgehen, denn sie ist nicht wie andere Planeten. Sie lebt. Und langsam aber sicher wird sie sich alles zurückholen, was man ihr nimmt.
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