Dinnerparty
Bei Dinnerpartys rede ich nicht mit Fremden, hoffe, meine Altbekannten immer meine Altbekannten nennen zu können, sie nicht durch neue, irgendwann dann alte Bekannte ersetzen zu müssen, denn dafür müsste ich zuerst Bekanntschaften machen, und das Machen fällt mir schwer, fast schwerer als ins Übermorgen zu sehen und das ist gar unmöglich, also rede ich mit dir und ihr und ab und zu etwas mit mir, all das lieber, als dass ich aus Nervosität alle Worte irgendwo in meinem eigenen Kopf verlier, lieber ist mir das Bekannte zu vertiefen, als in fremde, eventuell seichte Gewässer zu springen und mein Kinn zu stoßen, man sagt ja nur: „stille Wasser sind tief“, aber von den lauten redet man nicht, sind sie also seicht? denn sie reflektieren Licht, als ob sie es kaum absorbieren würden und Klarsichtfolie ist leicht zu verwechseln mit ihrer Oberfläche, von der man nicht weiß, wie weit sie vom Seegrund entfernt ist. Hineinspringen? Lieber nicht riskieren, lieber bei Aperol und altbekannten Gesprächen das Neue durch Prokrastinieren minimieren. Aber manchmal spüre ich diesen Drang, irgendwann einmal Gruppenzwang verspüren zu können, dann würde ich die Betonung auf „Gruppe“ verschieben, mich als Teil identifizieren, den Moment mit Ingwerscheiben und Zitronengras im Gefrierfach einfrieren, sezieren, und meinem späteren Ich in Momenten der sozialen Interaktion die Schritte zum Erfolg diktieren. Ich würde mich auf der Spitze des Eiffelturms mit Spaniern unterhalten, Falten aus meinem Kleid streichen, bevor ich zu wöchentlichen Dinnerpartys spaziere, mich keiner Diskussion entziehen, würde meine alten Hemmungen in der Schüssel bei der Tür mit den Schlüsseln liegen lassen, bevor ich mit dem Bus zur Endstation fahre, anstatt die Route mit geringerem sozialem Kontakt zu wählen, und würde mich an meinem Selbstbewusstsein festhalten. Aber noch greife ich nur in die Leere im wackeligen Bus, drücke zu früh auf den Halteknopf, ducke meinen Kopf vor neuen Gesichtern und trinke Aperol. So wie jedes Mal.
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