Drei Augen-Blicke
Lucy sitzt still auf der Bank.
Mutter nimmt ihren Kopf in beide Hände, küsst sie auf die Stirn, geht zurück zum Auto und bangt um das dunkle Leben ihrer Tochter.
Das blasse Mädchen mit den feurig roten Haaren öffnet ihre Augen weit.
Die brennende Sonne, schon halb vom Horizont verschluckt, wirft einen großen gelben Krater in den Himmel, und als sie beinahe ganz verschwunden ist, scheinen hellbräunlich bemalte Berge und orange getauchte Bäume das letzte Leben aufzusaugen.
Lucy atmet die Unendlichkeit ein, durch Augen, Mund und Nase. Ein Lächeln ziert ihr zerbrechliches Haupt, und ein Windhauch fährt durch die lockigen Strähnen.
Da muss sie die Lider schmerzend schließen, und mit einem Augen-Blick wird das Tor zur Welt wieder geschlossen. Glücklich und dankbar öffnet sie die weiße Tür aus Seide und blickt noch einmal zum rosa gefärbtem Ewighimmel hinauf. Dann betritt sie den stockfinsteren Raum, der ihre Heimat bildet, legt sich behutsam in das Bett aus ruhigen Federn, bedeckt sich mit der Erinnerung des heutigen Sonnenuntergangs und denkt:
Die Menschen.
So zu tun,
als hätt der Mensch unendlich
Augen-Blicke jeden Tag, ist
ein Briefumschlag voll Dornen,
denn obwohl,
sie sich die Augen,
blutig schauen häufig
bleibt das Papier stets,
unbeschrieben.
Sie sehen eine Parkbank und Tauben,
die darauf ihr Geschäft verrichten.
Zigaretten am Asphalt,
Plastikbecher neben Mülleimern, und
auf Bildschirmen Bomben, die fern Leben
unter Schutt und Staub,
vergraben.
Leere, tote Bilder ohne Nachhalt,
Tage, die zu Brei verschwimmen.
vage Kenntnis, Jahre,
die ohne greifbare Erinnerung verbleiben.
Aug zu - kein Moment der Achtsamkeit - Reizgier treibt die Lider auf,
die erhaschen Neues- stetig Neues, doch sofort das Bild verlieren,
weil darauf das Nächste fällt und das Leben
ein Feuerwerk aus Reizen ist,
zwischen denen sie umherirren.
Und Sie die besondren,
einzigartigen,
Bilder ihres Lebens,
hinter der Kamera des Handys
verpassen, welche
für ewig auf den Grund
trüber Galerien,
versinken.
Sofort vergessen,
bis auf alle Tage.
Ich.
Siebzehntausendfünfhundertzwanzig
Augen-Blicke,
die meinem Leben ein Bilde schenken,
und Alle,
kann ich wie reife Äpfel,
in meinem Garten sehen,
pflücken, ganz erkennen und,
genießen, denn
in ihnen liegt,
Unendlichkeit.
Alle sind sie gemalt und gegossen,
in Farbe und in fülliger Form.
Zeit bleibt an ihnen hängen,
goldene Sonnen-
und weiße Mondstrahlen,
erleuchten diesen,
meinen, Augen-Blick.
Und,
tausend Orchester klingen,
schlagen feurig los,
spielen mir,
das Lied der Liebe schnell,
denn,
kurz nur währt die Gänze.
Doch das ist ihre Kraft,
denn währte sie immer,
und hätte ich mehr als,
drei Augen-Blicke pro Tag,
würde die Gänze zerbrechen,
zu Scherben, unauffindbaren
Fragmenten vergessener Bilder.
Den Rest der Zeit leb ich im Augendunkel,
ruhe, lausche,
übe mich in Wertschätzung.
Bis die Morgensonne,
das Abendrot, oder
der weiße Mond
meine Lider wieder ruft,
Und ich die Schmerzen,
die der dritte Augen-Blick,
mir abverlangt,
mit Wonne
ertrage.
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