Drei gehENDE Schatten
3: 03 Uhr. Nachts. Stimmen. Nein, unter dem Bett ist nichts. Der schrille Klang kommt auch nicht aus dem geschlossenen alten Schrank. Der Wasserhahn tropft. Eins, zwei, drei, platsch. Eins, zwei, dreieinhalb, platsch. Ich bin es gewohnt. Der Schatten an der Tür kann es nicht sein, oder können Schatten gehen, bitte, können sie das?
Ohne mich nicht. Nur wenn ich das mit meinem Schatten gemeinsam mache. Er spricht, aber nur zu mir. Er kontrolliert mich, ich antworte ihm. Er versteht, gehorcht aber nicht. Genau wie ich. Diesen Kampf will ich gewinnen, doch schlussendlich ist es physisch nicht möglich.
Wässrige Substanzen, manche würden sagen, geh bitte, das heißt doch Tränen, fallen im Takt mit den Wassertropfen des Wasserhahns hinunter. „Tränen“ klingt zu menschlich, ich weiß, dass ich das nicht bin.
3: 33 Uhr. Er kreischt und zerreißt mich. Innerlich. Von außen her sehe ich aus wie ein schlafendes, mehr oder weniger lebendiges, Etwas. Die Konversation mit ihm zu beenden ist schwierig, ich flehe. Geh! Es wird immer schlimmer, mein Mut verschwindet und ich versuche es sanfter und respektvoller. Geh, bitte, geh. Ein bekanntes Gefühl tritt in mir auf, und beeinflusst die zwei einzigen Wörter, die ich laut von mir geben kann. Ängstlich und beinahe panisch, erwidere ich noch einmal, geh bitte, bitte, geh! Stille, unbekannte Ruhe, bis zum schrillen Klang.
Es passiert erneut, diesmal rückwärts. Die Uhr schlägt wieder 3: 03 Uhr. Noch eine halbe Stunde. Stimmen. Unter dem Bett immer noch nichts. Nach einer bestimmten Anzahl ist nun auch der letzte Wassertropfen gefallen. Ich schaue zum Schrank. Offen. Drei Zentimeter weit.
Meinen Fokus setze ich kurz ab und wieder zum merkwürdigen Kasten, der immer noch gleich weit geöffnet ist. Oh bitte, erzähl mir nur nicht am Ende, mein dritter Schatten ist ebenfalls gegangen.
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