ECHTE HELDEN
Ein echter Held kennt keine Angst.
Ein echter Held rettet Menschenleben.
Ich bin kein Held.
Noch nicht.
-
Ich nehme meine Pistole und gehe in die Raiffeisenbank.
Man kann die Waffe nicht sehen, ich habe sie in meiner Manteltasche versteckt.
Schlau, nicht wahr? Wie von einem Helden zu erwarten.
Es sind neun Personen anwesend. Ein Angestellter steht beim Counter, einer sitzt im Nebenbüro. Hinzu kommen noch die Besucher: Ein Ehepaar mit ihren drei Töchtern – sie sehen alle gleich aus. Drillinge. Gruselig. Dann ist da noch ein älterer Herr neben mir. Es ist mein Onkel. Ich habe ihn gebeten mich in der Bank zu treffen.
Ich schaue auf meine Uhr. Es ist soweit.
Die Eingangstür öffnet sich und zwei Männer betreten den Raum. Sie sind völlig in schwarz gekleidet.
Es sind Bankräuber. Woher ich das weiß? Ich habe sie engagiert.
Auch die Bankangestellten begreifen schnell was vor sich geht. Das liegt vermutlich an den Gesichtsmasken der beiden Männer. Oder an den Waffen, die sie bei sich tragen.
„Alle auf den Boden!“, sagt der erste Räuber.
Die Familie gehorcht sofort. Mutter und Vater legen sich teilweise auf ihre Kinder, um sie so gut wie möglich zu schützen. Nett gemeint, aber unnötig.
Schließlich befindet sich ein Held in ihrer Mitte. Ich.
Stolz richte ich mich auf. Mein Moment ist gekommen.
Das Gewicht meiner eigenen Pistole, die noch in meiner Tasche steckt, ist mir nur allzu bewusst.
Ich öffne den Mund, bereit die Rede zu halten, an der ich wochenlang gearbeitet habe.
Peng!
Dem Räuber wird die Waffe aus der Hand geschossen, kurz darauf liegt er auch schon ohnmächtig am Boden.
Mit weit aufgerissenen Augen beobachte ich das Ganze.
Ich kann das Gesicht des zweiten Räubers nicht sehen, aber ich vermute es geht ihm genauso wie mir.
Bevor er etwas sagen kann, sackt auch er zusammen. Hinter ihm steht mein Onkel.
Ich kann es nicht fassen.
„Nur keine Panik.“, sagt er. „Ich bin ja hier.“
Das Ehepaar fängt an zu weinen, ihre Kinder lachen aufgeregt. Die Bankangestellten klatschen.
Mir wird schwarz vor Augen. Ich erinnere mich an diesen uralten Film, der mal im Fernsehen gelaufen ist. Insel der Dinosaurier – in dem Film wurden die ganz kleinen Dinosaurier von ihren eigenen Eltern gefressen. Im Moment kann ich gut nachvollziehen, wie sie sich in ihren letzten Sekunden gefühlt haben. Verraten von ihrer eigenen Familie.
Der Mann – mein eigener Onkel! - hat mir meine Chance versaut.
Er hat mir alles genommen.
„DU SCHLEIMIGER BASTARD! DU DRECKIGER HURENSOHN!“
Ich ziehe meine Waffe.
„Was machst du da? Das bist doch nicht du …“
Mein Onkel starrt mich an. Er ist nicht ängstlich, sondern enttäuscht. In diesem Moment wirkt er auf mich wie ein echter Held.
Ich stecke die Pistole wieder weg. Er hat recht. Ich schäme mich.
Während die Bankangestellten die Polizei rufen stehe ich einfach da und denke nach.
Mir geht ein Licht auf.
Ich habe mich dagegen entschieden meinen Onkel zu erschießen.
Man kann sagen, dass ich sein Leben verschont, nein – gerettet – habe.
Und wer rettet Menschen? Helden.
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:


















Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX