Egoman?
Durch die Wohnung schlürfend, schlürfe ich eine Dose Cola, die seit 3 Tagen offen im Kühlschrank steht. Vanille Cola. Ich muss schon wirklich tief gesunken sein. In dieser traurig trüben Welt kann ich mein volles Potential einfach nicht ausleben.
Das Koffein kickt kurz und ich hüpfe wie ein Gummiball durch den Raum. Dabei erhüpfe ich aus Versehen fast meinen Laptop, der dort einsam und verlassen neben dem Sofa liegt. Sein Bildschirm , geziert von Fettflecken, springt noch rechtzeitig an. Ach, ich liebe dieses alte Ding mit seinem lebensrettenden Wackelkontakt.
Langsam verliert die Welt wieder ihren Charme und ich versinke wieder in einer schläfrigen Wolke. Schlafmangel ist wirklich ein hinterhältiger Verräter. Wenn ich mich beschreiben müsste, würde ich sagen, dass ich ein Mensch bin, der viel erleben möchte, aber in einem Körper eines Menschens gefangen ist, der viel schlafen möchte. Ich drifte ab in eine neblig wabernde Zwischenwelt und bin gerade dabei, zur befriedigend dunklen Seite überzugehen, wo ich mich zuhause fühle, als ich wieder hochschrecke. Hier in meinem Nirvana, das nicht so friedlich ist, wie sein Name klingt, ist das Klingeln meines Telefons das Äquivalent zu einem Elefanten im Porzellanladen. Schlimmer. Wie ein Igel in der Kondomfabrik.
Verwirrt von dem Elefanten vergesse ich abzuheben. Unbekannte Nummer. So wichtig kann es wohl nicht gewesen sein, denn ein zweiter Anruf lässt auf sich warten. Soll ich zurückrufen? Ne, meine sozialen Batterien sind noch so gut wie leer, gerade kann ich definitiv keine Menschen aushalten. Gestern habe ich die Welt zu lange unsicher gemacht und niemand konnte irgendetwas richtig machen, aber sagen wir mal, es wurde ihnen gebührend heimgezahlt. Rache ist süß. So süß.
Vielleicht sollte ich jetzt trotzdem mal in die trockene, martervolle Welt der Erwachsenen eintauchen und gegen die wachsende Entropie in meinem Zimmer ankämpfen. Mh, keine Lust. Lieber wende ich mich meine Lieblingsbeschäftigung zu.
Ich bin ein Gestaltenwandler, ich bin in ständiger Veränderung. Je nachdem, welcher Charakter gerade gefragt ist. Ich bin eine Art Wiedergeburt Till Eulenspiegels , denn wenn ich unter Leuten bin, tue ich selten etwas anderes, als Menschen konstant hinters Licht zu führen. Nun gut, vielleicht bin ich eine grausigere Version von dieser viel zu schlauen Figur, aber ansonsten haben wir ziemlich viel gemeinsam.
Narzissmus? Geh bitte! Hören Sie doch auf mit solch dermaßen utopischen Anschuldigungen!
Während ich mich zuerst in meiner Selbstverliebtheit wälze und dann in meiner Intelligenz paniere, werde ich unfreiwillig gebraten, denn das Telefon klingelt wieder. Herablassend blicke ich das lärmende Gerät an und die vielen Meter Wundtape, die sein Haupt zieren, zeugen von meinem liebevollen Umgang mit ihm. In einem Schwung von Generosität und Weitherzigkeit mir selbst gegenüber landet das Telefon am Boden.
Nach der vollbrachten Bluttat trete ich fast wieder meinen Laptop kaputt und verfluche meine winzige Wohnung.
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