Ein Augenblick
Direkt blicken sie mich an. Tiefbraun – wie Schokolade. Mein Blick kann sich nicht von ihnen lösen, ewig könnte ich sie anstarren – mich in ihren Tiefen verlieren, eintauchen in diese Welt und nie wieder zurückkehren. Gutmütig und voller Wärme sind sie. Ein Schauder überkommt mich. Ich habe das Gefühl, dass sie direkt in mich hineinschauen. Nicht mein Äußeres, sondern mein Herz, meine Seele sehen sie.
Obwohl sie nicht besonders nahe sind, erkenne ich ihre Schönheit. Ich erkenne die Farbverläufe, wie die einzelnen Nuancen der Farben miteinander harmonieren. Ich erkenne auch das Licht, dass sich in ihnen spiegelt. Auch mich sehe ich. Sehr klein. Doch da bin ich, mittendrinnen. Augenblicklich komme ich mir falsch vor, so als ob ich dieses wunderbare Werk durch meine Spiegelung zerstören würde – nein, ich passe nicht in diese Welt. Und trotzdem sieht es so vollkommen aus.
Was sich wohl dahinter abspielt, hinter diesem braun, das mich so fesselt, dass mich wie ein Strudel in sich zieht. Die Zeit scheint stehen zu bleiben, solange sie mich betrachten. Ich könnte ewig so dastehen. Für mich muss die Zeit nicht weitergehen, alles ist so perfekt. Nur ich und sie, für immer. Doch sie geht weiter. Rasend schnell. Nein! Ich will nicht, dass sie weiter geht. Ich will mich an diesen Augenblick klammern. Alles in mir sträubt sich gegen den unaufhaltsamen Weiterlauf der Zeit. Langsam werden ihre Farben matt, sie verlieren ihren Glanz, bis sie ganz starr sind. Stille. Sie hallt in meinem Kopf. Ich will schreien, diese Stille unterbrechen, doch es dringt kein Laut aus meiner Kehle. Sie sollen mich anblicken! Ich will das sie mich anschauen, ich will sie anblicken, diese Farben, die mich so hypnotisieren.
Nur noch einmal sollen sie mich anblicken. Nur für einen weiteren Augenblick.
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:
Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX