Ein Meer aus unsichtbaren Farben . . .
Schwarz, schwärzer, am schwärzesten.
Ich schlage meine Augen auf. Eine unsichtbare Flut der Dunkelheit droht mich zu verschlingen. Ich ringe nach Luft. Eine panische Hysterie durchströmt meinen Körper. Undefinierbare Angst lähmt meine Sinne.
Meine verzweifelten Schreie, die orientierungslosen Hilferufe – sie gleichen einem Flüstern in jener absurden Stille. Meine Gedanken nehmen irrationale Dimensionen an. Blitzähnliche Erinnerungsfetzen dominieren meinen Verstand:
Die hellen warmen Sonnenstrahlen, der purpurfarbene abgeblätterte Nagellack, die unergründlich blauen Augen des Nachbarsjungen – Farben über Farben strömen über mich hinweg. Ungreifbar. Unerreichbar.
Schwarz.
Angetrieben von einer befremdlichen Kraft schlage ich um mich. Will mich an die sichere Oberfläche retten. Gibt es eine Oberfläche? Kämpfe gegen die Wellen aus undurchdringlicher Finsternis.
Schwärzer.
Eine unbeschreibliche Begierde nimmt mich ein. Verwehrt mir die Sicht auf jegliche Alternativen. Raubt mir meine Kontrolle.
Am schwärzesten.
Sonne, Wärme, Farben – Licht. Eine für mich unzugängliche Droge. Kraftlos taste ich in die undurchschaubare Leere. Ich entgleite mir. Sinke. Ertrinke in den Tiefen der Düsternis.
Von lebenserhaltenden Trieben gesteuert schließe ich meine Augen. Der Sturm in mir verebbt. Mein Herzschlag findet in einen ertragbaren Rhythmus zurück. Die Sehnsucht bleibt.
Dieser realitätsferne Zustand der mittellosen Ohnmacht schafft das Verbindungsglied, ein Portal zwischen zwei Welten. Zwei Leben. Zwei Wirklichkeiten.
Eine Brücke? Nein.
Das „Davor“, eine Welt bestimmt durch Licht und Farben, ist mir unzugänglich, während mich das „Danach“ unentrinnbar verfolgt. Der Wirbelsturm, das Meer aus Dunkelheit. Die Tiefe.
Der Druck der Entscheidung lässt an die quälende Unendlichkeit unentrinnbarer Folter erinnern. Aber: Gibt es eine Wahl?
„Finde es heraus“, flüstert eine schwache Stimme in mir. Ich will ihr widersprechen, will mir widersprechen, will in Selbstmittleid versinken, will der Verantwortung trotzen, will …
Einem plötzlichen Impuls folgend öffne ich meine Augen. Langsam und bestimmt gebe ich mich einer fordernden Konzentration hin. Der Sturm ist noch da. Die Wellen wirken wie beißende Waffen und drücken mich in die endlose Tiefe. Aber etwas hat sich verändert, ich habe mich verändert. Ruhig greife ich nach meinem größten Schatz:
Bunte schleierhafte Farben tanzen wie sanfte Schneeflocken um mich herum. Die Erinnerungen vermitteln mir Sicherheit, geben mir Halt.
Die Wellen flauen ab, der Sturm gibt nach. Von innerer Zuversicht angetrieben stelle ich mich der Konfrontation mit dem Unbekannten. Von einer unsichtbaren Farbenpracht geleitet, taste ich vorsichtig nach dem befremdlichen Neuland …
… und tauche auf.
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:
Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX
