Ein Moment der Unsicherheit
Er wohnt seit gestern nebenan.
Ich blicke unauffällig zu ihm hinüber, er erwidert meinen Blick.
Mit seinen Augen deutet er mir, dass ich zum Zaun kommen soll.
Unsicher folge ich seiner Aufforderung.
Bei so etwas habe ich keine Erfahrung, ich betrete Neuland.
Ich habe den Zaun fast erreicht.
Meine Hände sind etwas feucht, meine Knie zittern leicht.
Umso näher ich komme, umso mehr fällt mir auf, wie groß er ist.
Viel größer als ich es bin.
Ich fühle mich klein, unsicher.
Doch dann lächelt er, offenbart seine weißen Zähne.
Automatisch lächle ich zurück, obwohl ich bei so etwas eigentlich keine Erfahrung habe, obwohl ich gerade Neuland betrete.
Ich stehe jetzt ganz nahe beim Zaun.
So nahe, dass meine Knie an das Gitter stoßen.
Er steht noch etwas entfernt.
Sieht mich nur an und schweigt.
Auch ich weiß nicht, was ich sagen soll.
Meine Gedanken drehen sich nur um sein Lächeln, seine weißen Zähne.
Mein Mund bleibt geschlossen.
Ich habe bei so etwas schließlich keine Erfahrung, ich betrete Neuland.
Jetzt tritt auch er ganz nahe an den Zaun.
Seine Knie berühren meine.
Ich spüre seine Wärme durch meine Jeans.
Vorsichtig beugt er sich etwas vor und streicht mir eine Haarsträhne hinter das linke Ohr.
Mein Atem wird schneller, mein Herz schlägt mir bis zum Hals.
Ich bin nervös und glücklich.
Beides auf einmal.
Wie gesagt, ich habe bei so etwas keine Erfahrung, ich betrete Neuland.
Ich habe meine Hände auf den Zaun gelegt, um das Zittern zu verbergen.
Er merkt es dennoch.
Vorsichtig legt er seine Hände auf meine.
Das gibt mir Sicherheit.
Meine Hände zittern nicht mehr.
Meine Knie auch nicht.
Ich habe keine Ahnung wieso.
Vielleicht wüsste ich es, wenn ich mit so etwas Erfahrung hätte.
Aber das habe ich nicht, ich betrete ja Neuland.
Er merkt, dass ich sicherer werde.
Sein Lächeln wird breiter.
Er beugt sich jetzt noch weiter vor.
Ich tue ihm gleich, ohne zu wissen warum.
Nun nehme ich sein süßliches Parfüm war.
Und die Tiefe seiner blauen Augen.
So tief und blau wie der Ozean, so beruhigend.
Unsere Lippen berühren sich leicht.
So sacht wie der Flügelschlag eines Schmetterlings.
Und in diesem Moment ändert sich alles.
Die Unsicherheit verschwindet zur Gänze.
Das Neuland wird zum Zuhause.
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