Ein nasses Wiedersehen
„Also?“ Ich blickte von meinem dampfenden Kaffee auf. Vor mir saß eine schlanke, großgewachsene Frau. Ihre langen roten Haare hatte sie stilvoll zu einem Dutt zusammengebunden. Fragend sah sie mich mit ihren ozeanblauen Augen an, während sie mit ihrem Löffel in ihrem Kakao herumrührte. Es war Anita, meine ehemalige beste Freundin aus dem Gymnasium. Sie hatte mir vor einer Woche eine Nachricht geschrieben, dass sie meine Nummer wiedergefunden hatte und ob wir uns mal wieder treffen wollen. Ich hatte mich darüber gefreut und ein kleines Caffè in meiner Nähe vorgeschlagen. Jetzt saßen wir uns zum ersten Mal seit vierzehn Jahren wieder gegenüber. „Was hast du nach der Schule gemacht“, fragte sie mich erneut. Ich lächelte und begann zu erzählen: „Ich wollte natürlich studieren, habe mich aber nach langem Überlegen dazu entschieden, ein Jahr um die Welt zu reisen.“
„Wow,“ unterbrach mich Anita: „Ganz allein? Und woher hattest du das Geld?“ „Ich habe damals viel Geld von meiner Oma geerbt. Außerdem war ich nicht allein, Adrian, damals mein Freund, jetzt mein Mann, ist mit mir gereist“, antwortete ich ihr stolz. „Ihr seid jetzt verheiratet? ! Oh mein Gott, wie lange schon“, quietschte sie aufgeregt.“ „Seit zwei Jahren. Wir haben am Strand in Italien geheiratet. Es war traumhaft“, schwärmte ich. „Das kann ich mir vorstellen. Ich habe mich vor einem halben Jahr von meinem Freund getrennt. Wir waren fast vier Jahre zusammen“, murmelte sie andächtig. „Oh das tut mir leid“, sagte ich sanft. „Es ist eh besser so“, versicherte sie mir. Nach einer kurzen Stille fragte ich Anita, ob sie studiert hätte. Sie antwortete knapp: „Nein, ich habe eine Lehre zur Kosmetikerin gemacht und habe jetzt ein kleines Bio-Kosmetikgeschäft.“ „Wow, Respekt“, sagte ich anerkennend. „Danke“, entgegnete sie lächelnd.
Als ich gerade einen Schluck von meinem Kaffee nahm, verspürte ich auf ein Mal ein warmes aber nasses Gefühl auf meinem Bein. Schnell warf ich einen Blick unter den Tisch. Erschrocken riss ich die Augen auf. Da stand ein kleiner Hund mit gehobenem Bein, neben meinem. Etwas verwirrt stotterte ich: „ Ich glaube dein Hund hat mich grad angepinkelt.“ Anita schnappte nach Luft: „Omg, das tut mir so leid!“ „Halb so schlimm“, versicherte ich ihr, meinte es aber nicht so. Das war meine Lieblingshose gewesen. Lächelnd meinte ich: „ Ich glaube, ich gehe jetzt nach Hause, aber wir sollten uns mal wieder treffen.“
Ich sah sie danach nie wieder
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