Ein Sommernachtslauf
Die Sonne geht unter, die bald rot werdenden Blätter flattern an den Ästen, sie läuft. Sie war noch nie hier. Die Sonne scheint schwach, aber trotzdem auf den deshalb glitzernden See. Die kalte Sommernachtsbrise weht ihr ins Gesicht und befreit es von den verschwitzten und halbklebenden Haaren. Es zwitschern Vögel, der Wind singt und die Blätter rauschen. Alles wunderbare natürlich Klänge, die sie nicht hört, weil sie mit ihren Gedanken ganz woanders ist. Sie scheint ratlos zu sein, bleibt dennoch nicht stehen und läuft entlang des Sees weiter. Sie läuft auf Asphalt, auf Erde und auf Gras, ohne dabei einen Blick auf die wunderschöne sie umgebende Natur zu werfen. Gerade zu Sonnenuntergang, zur goldenen Stunde leuchtet alles, nicht zu vergessen die Natur himmlisch. Sie schaut jedoch nur gerade aus und läuft.
Die Sonne ist fast untergegangen, der dunkelblaue Himmel leuchtet noch ein klein wenig rötlich, sie läuft. Es wird kühler, die Brise wird stärker und es riecht erfrischend nach See. Seit dem Anfang hat sie keine Pause gemacht und hat es auch nicht vor. Sie kann es sich nicht leisten, sie ist determiniert. Der sommerliche Wind kühlt sie, soweit es geht, ab. Sie ist müde, jedoch gleichzeitig voller Adrenalin. Langsam beginnen auch die mittlerweile nicht mehr so fluffigen Wolken zu verschwinden. Sie schweift zum ersten Mal mit dem Kopf von ihrer davor fixierten Bahn ab, um kurz und flüchtig einen Blick auf die Natur zu werfen. Sie schaut wieder zurück, gerade aus und läuft.
Die Sonne ist untergegangen, sie läuft noch immer. An dem dunkelblauen, fast schwarzem Himmel ist nichts mehr zu sehen außer der glänzenden Sterne und dem etwas halb vollen Mond. Die Vögel haben aufgehört zu zwitschern, es ist still. Bis auf die leichte Brise und den rauschenden See hört man die Blätter nicht mehr, da sich der Wind beruhigt hat, sie atmen und Schritt für Schritt auftreten. Sie ist fast ganz alleine und läuft noch immer.
Jetzt ist kaum noch irgendetwas zu sehen, sie läuft noch immer. Die Natur ist zu ihrem Pech nicht mehr so glitzernd und schön, sondern einfach nur noch dunkel. Jetzt, wo sie beginnt, sich ihrer Umgebung bewusst zu werden und sie betrachten zu wollen, ist es zu spät. Von der goldenen Stunde zur stockfinsteren Mitternacht, die ganze Atmosphäre hat sich geändert, die Natur ist ganz anders, sie ist ganz anders und läuft noch immer.
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