Ein Stück Erdbeerkuchen hat 269 kcal
„Ist dir das auch genug? Ich meine, es gibt noch Erdbeerkuchen im Angebot, wenn du willst“, sagt er.
Ich schaue angewidert in die leere Suppenschüssel vor mir. Die Reste von Linsen und Erbsen erinnern an getrocknetes Erbrochenes. Ohne Kommentar verlasse ich den Tisch mit meiner Tasche und gehe den beleuchteten Gang hinunter zu den Waschräumen. Jeder Schritt ist schwerer als der andere, der rote Teppichboden sinkt ein. Das Bad ist leer, nur weiße, grelle Fliesen und ich. Und die Toiletten. Ich nehme den ersten Stall, setzte mich auf den sauberen Deckel.
Zehn.
Einatmen. Ausatmen. Nicht darüber nachdenken. In meinen Augen verschwimmt der Edelstahl der Türe. Es treibt weck und alles ist dunkel.
Neun.
Auf dem frisch gewischten Boden kniend bereue ich meine Entscheidung zu diesem Abend. Mein Magen zieht sich vor Schmerzen und Leere zusammen.
Acht.
Ruhig streiche ich mein Haar hinter die Ohren und lege den goldenen Anhänger meiner Kette auf den Rücken. Alles bleibt rein.
Sieben.
Meine schwarz lackierten Fingernägel bohren sich wie Schrauben in meine Handflächen bis Blut über die Lebenslinien läuft. Ich sehe aus, als hätte ich enthusiastisch in Scherben gefasst.
Sechs.
Der Deckel klappt nach oben und meine roten Hände halten sich am Sitz fest. Nachher muss ich alles wieder sauber machen. Toll.
Fünf.
Ich versuche mich zu beruhigen, doch mein Herz pocht. Mein Sichtfeld bildet blaue Sprenkel. Auf dem Boden der benachbarten Kabine hat jemand eine Cosmopolitan liegen lassen.
Vier.
Ich will es so. Ich kann es kontrollieren. Ich will das.
Drei.
Das ist so klischeehaft, denke ich, während mein Finger seinen Weg in den Mund findet. Ich ramme ihn in den Rachen und lehne mich nach vorn. Schließe die Augen.
Zwei.
Magensäure und die Suppe brennen sich meine Speiseröhre hinauf. Jemand betritt den Waschraum, aber viel bekomme ich nicht mit.
Eins.
Ich bin leer und es geht mir gut. Als sich meine Tür öffnet, steht er mir besorgt gegenüber.
„Ich dachte wir hätten das hinter uns.“
Was er wohl meint? Sicherlich das Kotzen. Er will meine blutigen Hände ergreifen, aber das Mitleid brauche ich nicht. Besiegt verlässt er den kalten Raum wieder. Ich greife die Zeitschrift am Boden und setzte mich. Der Einband färbt sich rot und die Überschrift wirbt für die perfekte Figur.
Null.
Ich habe Hunger.
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