Ein Tag, um Versprechen zu brechen
Der Tag, an dem sie sich versprach nie wieder zu lächeln, besaß die Farbe von Quecksilber. Gefärbt durch klopfenden Regen, silbernen Stahl und die dickflüssige Konsistenz der Stille.
Versprechen dergleichen, sind, wie jeder, der einmal dasselbe versprach, weiß, nicht zu halten… Es ist nämlich beinahe unmöglich die 4 Muskeln, die ein Lächeln bauen, vom Zucken abzuhalten.
Deshalb war es auch nicht weiter verwunderlich, dass ein Versprechen, gemacht an einem grauen, trostlosen Tag, dazu verdammt war, mit einem Lächeln gebrochen zu werden.
So lange sie zurückdenken konnte, hatte sie die Stille immer willkommen geheißen. Sie mochte es, wenn die Abwesenheit jeglichen Geräusches sie umfing, wie eine hauchdünne Decke, zerbrechlich und doch, war sie einmal dort, nicht einfach zu zerreißen.
Es lag ein eigenartiges und fremdes, doch beinahe magisches Gefühl in der Lautlosigkeit, und wenn sie die Menschen um sich herum davon sprechen hörte, wie sie es als unangenehm, oder drückend empfanden, wenn niemand die Leere mit Worten füllen wollte, dann war sie verständnislos dieser Meinung gegenüber. Eine lautlose Welt, war das schönste, was sie sich erdenken konnte.
Die Stille - war ihr Freund.
Vielleicht mögt ihr es schon erahnt haben, vielleicht nicht, doch sie war ein einsames Kind. Sie war oft allein, hatte sie doch keine Geschwister und mussten ihre Eltern doch arbeiteten. Was sie nicht bedauerte, denn wie sie die Stille mochte, war sie auch gern allein.
Erst Jahre später traf sie Jemanden, der ihre Meinung ändern sollte. Er war ein Sturm, der sie mitriss. Singen, Lachen und Reden war sein Tagesinhalt.
Schweigen oder Stille schien ihm fremd zu sein und weil jeder ihn zu mögen schien, war er auch nie allein.
Er brachte sie zum Schmunzeln und zum Kichern, zum Lachen und zum Lächeln.
Er war der Bruder, den sie nie vermisst hatte, weil sie nicht gewusst hatte, dass es ihn gab.
Es dauerte nicht lange, bis sie vergaß, dass die Wortlosigkeit einmal ihr einziger Begleiter gewesen war.
Der Tag, an dem sie sich versprach nie wieder zu Lächeln, besaß die Farbe von Quecksilber.
Gefärbt durch den Regen, der an die bunten Fenster der kleinen Kapelle klopften.
Gefärbt durch die silbernen Stahlgriffe an einem schwarzen Sarg.
Gefärbt durch die Stille, die lange aufgehört hatte ihr ein Freund zu sein, und es nie wieder sein würde.
Solange die Lautlosigkeit währte, konnte sie seine Geschichten, sein Lachen oder seinen dummen Gesang nicht hören.
Die Stille war ihr nicht mehr genug, nichts schien je wieder genug sein zu können…
. . und so versprach sie nie wieder zu Lächeln, doch Nie ist eine lange Zeit und eventuell. .
. . . eventuell fand sie Jemanden, der ihre Stille erneut zerbrach und ihr ein Lächeln schenkte.
Der Tag an dem die Lautlosigkeit, um sie herum ein zweites Mal zu Scherben zerfiel, war ein guter Tag. Ein Tag, um Versprechen zu brechen, die nie hätten gemacht werden sollen.
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