Ein Weiterleben nach dem Tod
Eingesperrt in diesem Zimmer. Die Krankenschwester stürmt auf.
Ich vermisse sie, so sehr, dass ich weinen könnte. Hanna besucht mich nie. Sie war in den letzten Jahren nicht einmal bei mir. Nie! Aber was will sie schon, von einem Jungen, der todkrank ist und bald sterben wird? ! Von einem Jungen, dessen Eltern geschieden sind und der nicht wirklich eine Bezugsperson hat. Von einem Jungen, der keine Heilungschance hat, der keinen Spender findet. Sie hat doch etwas Besseres verdient, als mich. Genau noch eine Woche. Eine Woche habe ich noch Zeit, um sie zu sehen. Doch will sie sich meine dunklen Augenringe, meine Narben von den Infusionen, den Schmerz in meinem Gesichtsausdruck wirklich ansehen? Erschrecke ich sie damit, oder würde sie sich freuen? Ich kann nur auf ein Wunder hoffen. Auf eine Blitzheilung. Aber vielleicht habe ich mehr Chancen im Himmel, bei Gott. Meiner Seele wird es im himmlischen Reich sicher besser gehen als hier in diesem dunklen und kalten Zimmer, das nach Desinfektionsmittel riecht. Sollte ich mir noch Hoffnungen machen? Vielleicht wäre es besser, wenn ich mich sofort von der Welt verabschiede und dass hier alles vergessen könnte. Meine Eltern zeigen sowieso kein Interesse an mir. Der einzige Grund, warum ich mich nicht aufgebe, ist sie. Sie, mit der ich meine Sommerferien immer verbracht habe, doch sobald ich krank wurde, hat sie mich verlassen. Einfach im Stich gelassen. Völlig allein mit dieser Krankheit. Ich sehe hier keine Zukunft für mich! Ich habe keine Zukunft. Eine einzige kleine Zelle in meinem Körper, die nicht so funktionierte, wie sie sollte, hat mein ganzes Leben verändert. Jetzt bin ich todkrank und allein. Niemand wird mich vermissen. Manchmal wünsche ich mir, dass wir hexen könnten, oder zaubern. So könnten wir uns und andere heilen. Wieder gesund machen und ihnen eine Zukunft schenken. Das würden sich so viele kranke Kinder und Erwachsene von Herzen wünschen. Doch leider leben wir in der Realität und nicht in der Fantasie. Vielleicht ist die Wissenschaft in 50 Jahren so weit, dass sie mich heilen könnte. Krebs heilen könnte. Doch ich lebe leider im falschen Zeitalter. Vielleicht sogar auf dem falschen Planeten? Wäre ich auf dem Mars willkommener oder auf dem Jupiter. Ich weiß es nicht, aber wünschen ist ja nicht verboten. Wünschen, dass ich angenommen werde, von Personen, die mich lieben. Die ich liebe. In einem anderen Zeitalter und in einer anderen Welt.
Mein Bett bewegt sich. Wer schiebt mich? Wo geht es hin? Es wird plötzlich dunkel, meine Augen flimmern. Ich höre nichts mehr. Mir wird schlecht. Ist es jetzt Zeit. Zeit, zu gehen? Zeit, alles zurückzulassen und im Reich Gottes weiterzuleben? Will ich das? Wer garantiert mir, dass ich dort glücklich bin und nicht auf einem anderen Planeten? Ich möchte doch nur einmal glücklich sein und einfach ich sein. Jetzt ist mir kalt. Stille herrscht und ich schließe meine Augen. Auf ein neues Weiterleben in der Zukunft.
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