Ein Wimpernschlag und der Asphalt: Der Motorradunfall meines Bruders
Es war ein sonniger Samstagmorgen Ende Juni, als mein Bruder, Razvan, beschloss, auf der Straße vor unserem Haus einen Wheelie mit seinem Motorrad zu machen. Die Straße ging bergab, die Sonne schien am Himmel und meine Geschwister, Marius, Markus, David, Sara und ich machten uns auf den Weg nach draußen.
Während Razvan die Straße - ohne Helm oder Motorradausrüstung - hinunter fuhr und sich bereit machte, den Wheelie bergauf durchzuführen, standen wir voller Adrenalin am Straßenrand. Mein Bruder fuhr los. Gleichzeitig spürte ich eine seltsame Mischung aus Nervosität und Energie. Es war, als ob ein elektrischer Strom durch meinen Körper floss, der mich sowohl belebte als auch alarmierte. Meine ganze Aufmerksamkeit war auf Razvan gerichtet, der den Wheelie einwandfrei geschafft hatte. Erleichtert jubelten wir.
Im nächsten Moment aber, verlor er die komplette Kontrolle über das Fahrzeug und prallte gegen den Asphalt. Stille. Panik ergriff mich. Mein Herz pochte laut in meinen Ohren und ich konnte kaum mehr Atmen. Ich wollte zu ihm rennen, aber ich wurde von zwei Händen zurückgehalten. Ich schaute mich um, alle waren wie erstarrt. Ich schaute zu meinem Bruder, dessen Körper regungslos am Boden lag. Erst in dem Moment fiel mir auf, dass seine zerschmetterte Brille am Rand der Straße lag, die Crocs, die er getragen hatte, waren nicht mehr auf seinen Füßen, seine Kleidung war zerfetzt und der Asphalt neben ihm war blutig.
„Sara, nein! “, hörte ich plötzlich jemanden brüllen. Ich drehte meinen Kopf um, nur um meine älteren Schwester zwei Meter über den Boden zu sehen als auch, dass das Motorrad unter ihr langsam an Geschwindigkeit verlor. Meine Augen konnten es nicht fassen, meine Schwester wurde angefahren. Ich hörte den Aufprall meiner Schwester auf den Boden, nur zehn Meter von Razvan entfernt.
Mein Bruder, Markus, lief sofort zu Sara, während die anderen meinem Bruder halfen, die Rettung riefen und das Motorrad holten. In den folgenden Minuten leisteten meine Eltern und Geschwister Erste Hilfe, jedoch wurde ich ins Haus geschickt. Weinend und voller Angst saß ich auf dem Sofa, als plötzlich meine Mutter die Haustüre öffnete und zu mir kam. Sie tröstete mich, bis ich die Sirenen distanzieren hörte. Dieser Tag, der so harmlos und voller Freude begonnen hatte, endete mit Trauer und Angst.
Beide wurden bei deren Ankunft im Krankenhaus notoperiert. Meine Schwester hatte sich ihren Ober- und Unterschenkel des linken Beines gebrochen. Mein Bruder hatte sich seine rechte Hand und seine Fußzehen des rechten Beines gebrochen. Außerdem waren seine Weichteile der Innerseite des rechten Fußes komplett zertrümmert, aufgrund dessen er dann eine Hauttransplantation benötigte.
In den nächsten Wochen verbrachte ich mehrere Tage im Krankenhaus bei meinen Geschwistern, denen es wieder besser ging. In dieser Zeit hat mein 5-jähriges Ich realisiert, wie sehr ein Moment der Unachtsamkeit mehrere Personen beeinflussen sowie die Gesundheit jedes einzelnen aufs Spiel setzen kann.
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