ein zur Befüllung angereichtes Gefäß
Der orangene Schal fällt an beiden Seiten bis zum grünen Kunstledergürtel, der deine Taille schmuckvoll einengt.
Die Gürtelschnalle liegt knapp unter dem Bauchnabel. Hauteng schließt das einfarbige T-Shirt an, das beim Hosenansatz einige Ballungsstellen offenbart, wo es zu eilig gestopft wurde. Diese Nachlässigkeit erinnert an das klackende Geräusch, mit der sich die Gürtelschnalle schloss, wenn du den nächsten Bus nehmen musstest, weil sonst zwei Stunden keiner mehr fuhr. Beim Öffnen blieb die Gürtelschnalle still. In Berlin liegt der Gürtel wahrscheinlich in den Untiefen eines Zimmer, über dessen Miete du dich immer beschwerst, wie man es eben tut, wenn man nach Berlin gezogen ist.
Jetzt gerade bist du aber nicht Berlin. Du stehst in einem Zimmer in Hallebach und hast die Hände schon seit einiger Zeit an der Gürtelschnalle, als wüsstest du nur, dass der jetzige Zustand untragbar ist. Draußen muhen die Kühe. Das tun sie immer, wenn du mich besuchst. Auch kommt es mir so vor, als nehme ich den Geruch der Umgebung nur wahr, wenn du da bist. Als bräuchte ich dich, um die Umgebung zu animieren. Ich rieche dann die Kuh-scheiße und höre das Surren der darüber kreisenden Fliegen in aller Deutlichkeit.
Und natürlich bist du gerade eben doch in Berlin, erzählst von dem Gürtel, den grünen aus veganer Schlangenhaut, du kannst ihn dort nicht mehr tragen, hier könntest du, weil hier niemand so etwas trägt, in Berlin aber selbst der allerletzte Hanswurst. Überhaupt sei das etwas, was du lernen musstest. Hier, sagst du, ist es leicht, anders zu sein. Hier brauche man nur einen Gürtel aus veganer Schlangenhaut, um anders zu sein.
Du fragst mich, ob ich neue Gürtel brauche.
Ich schüttele langsam den Kopf. Ich frage, ob du wirklich einen Gürtel weggeben willst, der aus veganer Schlangenhaut besteht.
Du legst die Stirn in Falten, sagst: ich glaube nicht, dass das geht. Vegan sein und aus Schlangenhaut zu bestehen.
Das war ja der Witz, flüstere ich, sodass du kurz überlegst, ob dein Interesse groß genug zum Nachfragen ist, denn verstanden hast du nichts, auch wenn du so tust, als gäbe es keine Irritation in deinem Kopf. In Berlin hast du schon alles gesehen, dich kann nichts mehr irritieren.
Ich sage lauter: Geh. Bitte, und ich weiß nicht, ob es nicht doch die Aufforderung ist, näherzukommen. Auch du merkst gleich: ich habe gesprochen, und an deine Antwort gedacht, ich habe eigentlich nur gesprochen, um dich sprechen zu hören. Ich sehe auch: du erinnerst dich. Du weißt: es ist deine Entscheidung, wann du gehst. Ich (er)hänge derweil an deinen Lippen. Du starrst mich an und ich folge deinen Augen: schließe sie, richte sie gegen mich und sehe ein dir zur Befüllung angereichtes Gefäß, das fragt, ob es dir gut geht und brav wartet, mit welchen Problemen du es diesmal begießt. Sehe einen Ort mit wenig Eigengewicht, der Fahnen einlädt zum Steckenbleiben, sehe Glaswände und die Angst, ohne Fremdflüssigkeit durchsichtig zu sein.
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