Ein, zwei Fuß
Links von mir ein Fenster, rechts von mir eine Frau. Ich sitze unter meiner Kapuze, habe die Augen geschlossen. Ich schlafe nicht, ich schaue weg. Ich muss nicht sehen, will nicht sehen, wie ich den Boden unter den Füßen verliere, wie alle den Boden unter den Füßen verlieren. Das macht mir Angst. Ich möchte zurück, zurück auf bekanntes Gebiet. Aber nein, zu spät, wir heben ab, nichts ist mehr fest unter meinen Füßen. Weder fühle ich mich frei, noch schwerelos, die Last drückt meine Schultern zu sehr Richtung Boden. Richtung neuen Boden, Boden, den ich nicht fest unter meinen Füßen haben will. Boden, der mir zu heiß unter den Füßen brennt, obwohl ich ihn noch nicht einmal betreten habe. Und jetzt wieder festen Boden unter den Füßen zu haben bedeutet Boden verlieren. Trotzdem, ich muss es tun, muss mich bewegen, muss aussteigen. Also nehme ich meine Beine in die Hand und setze einen Fuß auf neues Land.
Links von mir eine Wand, rechts von mir eine Wand. Ich stehe da, unter einer Lampe auf dem karierten Fußboden. Um mich herum eine Masse an verschiedenen Menschen: klein, groß, durchschnittlich, nett, offen, verschlossen, müde, gestresst. Der Boden erinnert mich an ein Schachbrett. Das Ganze, das alles hier, ist das Spiel und ich? Ich bin die Figur. Ich soll eine gute Figur in einem Spiel abgeben, das nicht nach meinen Regeln gespielt wird. Und um freies Spiel zu haben muss ich zuerst ins Spiel kommen, das Spiel durschauen. Doch es ist so schwierig. Zu vieles steht auf dem Spiel und zu viele darin. Ich atme tief ein, aus. Versuche das Zittern meiner Hände zu unterdrücken, meine Nervosität in den Griff zu bekommen. Jeder Zug kann entscheidend sein, ich brauche meine Hand im Spiel, ruhig. Also nehme ich meine Beine in die Hand und setze einen Fuß auf neues Land.
Links von mir ist all das, rechts von mir stehst du. Du hältst meine Hand. Du hältst nicht nur meine Hand, sondern auch deine andere über mich. Ich sehe zu dir hoch, einen Fuß auf neuem, einen Fuß auf altem Land. War ich bisher erfolgreich? Nein, nein war ich nicht. Denn ich halte noch nicht alle Karten in der Hand, du hältst ja noch ein paar. Vielleicht solltest du mir sie geben. Kann das denn überhaupt funktionieren? Alle Fäden in der Hand halten zu wollen, wenn ein Fuß auf altem Land festgebunden ist? Mit dem einen Fuß auf altem Land und meiner in deiner Hand, hat das Ganze weder Hand noch Fuß. Also verzeih mir, verzeih mir, was ich jetzt tun muss. Ich nehme meine aus deiner und dafür die Beine in die Hand und setze zuerst einen und dann den anderen Fuß auf neues Land.
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