Eine dezent traurige Komödie
„Ich will deinen Hals! Komm, streck deinen Hals hoch. Streck ihn über meinen Kopf! Dein Hals über meinem Kopf! Hals über Kopf!“, alberte Phil, während er seinen Mittelfinger durch die Luft katapultierte und direkt zwischen den Augenbrauen seines Bruders parkte. Die Beiden kamen zum Stehen und das für Lippe ach so unerträgliche Schlurfen, welches sein nerviger und durch und durch unerträglicher Begleiter mit jedem Schritt fabrizierte, nahm endlich ein Ende. Aber dieser widerliche Mittelfinger baumelte immer noch vor seinem Gesicht. „Phil“, murmelte er leise und seufzte derart unberührt, dass sein Gegenüber zähneknirschend den Finger senkte.
„Na gut“, gab sich Lippe geschlagen. „Ich weiß, du hast Durst. Aber wie wollen wir es diesmal anstellen? "
„Naja, ich schnapp mir die Erste, die uns entgegen kommt.“
„Kopf über Hals.“
„Hä? Alter, was redest du für Müll?“
„Erst den Kopf einschalten und dann den Hals berühren.“
„Und was macht das für einen Unterschied?“, grummelte Phil, während er seine Arme schlaff auf und ab bewegte. „Ah ja, verstehe. Du willst mal in ein Ohr beißen!“
„AHH! DU VOLLIDIOT!“ Lippe riss sich den Mantel vom Leib und sank lautlos schreiend zu Boden.
„Reg dich nicht auf, Alter. Alles ganz easy.“
„Phil, sei mal ruhig! Riechst du das?“
„Was soll ich… BLUT! BEIM ALLMÄCHTIGEN GRAF DRACULA!“
„Guck mal da oben. Der Balkon!“
Der Streit war vergessen, denn dem Geruch von frischem Blut konnte kein Vampir widerstehen. Und so näherten sich die Jungen dem gegenüberliegenden Haus, da dort ihr Abendessen wartete. Die dunkelroten Handgelenke des Mädchens hatten doch tatsächlich zwei waschechte Vampire angelockt.
„Warte“, flüsterte Lippe. „Ich weiß, wie wir es machen. Menschen stehen doch auf Romantik. Ich kann scheiß romantisch sein.“
Und gleich darauf stolzierte er in Richtung Balkon.
„Komm runter, mein Mondschein. Ich liebe dich!“
„Ähm… bitte?“
Lippe schauderte. Ein Blutstropfen fiel zu Boden.
„Zu faul, meine Liebste?“
„BITTE? ! Komm doch du hoch!“
Kaum hatte das Mädchen zu Ende gesprochen, flog ihr eine Fledermaus entgegen, landete neben ihr auf dem Boden und verwandelte sich zurück in einen Jungen.
„WAS? ! Ich halluziniere! Ich sterbe!“
„Lass mich mal deinen Hals sehen.“
„Na los, trau dich. Beiß mich. Ist doch eh alles egal.“
„Wie du wünscht.“
„NEIN WARTE! Das heißt ja, dass ich unsterblich sein werde! Bloß nicht!“
„Wie wundervoll! Wir beide in Liebe vereint.“
„Wer spricht denn hier von Liebe?“
„Na warte nur ab, du wirst dich Hals über Kopf in mich verlieben.“ Dann bohrte er seine Reißzähne so tief in ihren Hals, dass sie taumelte. „Du Dämon!“, kreischte Lippe. „Was hast du getan? !“ Sein Körper bebte, er keuchte, sah in die Augen des Mädchens, welches nun lächelte, und sagte leise krächzend: „Du bist giftig?“
„Was sagt dein Herz?“, entgegnete sie schwach.
„Dass mein Kopf verrückt geworden ist.“
„Und was sagt dein Kopf?“
„Dass ich mich in deinen Schmerz verliebt habe. Es stimmt. Kopf über Herz. Mein Kopf hat recht. Ich bin verliebt. Hals über Kopf!“
Dann starben sie.
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