Eine Zeitreise
Schon lange war ich nicht mehr auf diesem alten Dachboden. Die vielen Kisten, die mit Spinnenweben überfluteten Ecken, die verstaubten Wände. Hierher verzog ich mich früher, als ich klein war, immer. Stundenlang blickte ich aus dem großen Fenster, dessen Licht geheimnisvoll durch den Raum schweifte.
Während ich mich umsah, stieß mir plötzlich eine kleine Schachtel ins Auge. Meine Schatztruhe. Diese bewahrte mit Sicherheit unzählige besondere Momente in sich auf. Ich öffnete die Schachtel. Darin fand ich mein altes Tagebuch vor. Überrascht hielt ich das Buch in meinen Händen. Ich hätte nicht gedacht, es je wieder zu sehen. Behutsam blätterte ich durch die Seiten. Da sah ich ein Foto zwischen den Seiten klemmen. Es zeigte mich als 15-Jährige mit meinem besten Freund. Wir verbrachten beinahe jeden Tag zusammen. Unsere schönsten Augenblicke spielten sich da wie ein Film vor meinen Augen ab. Ich blätterte noch ein paar Seiten weiter. Unter weiteren Kritzeleien über einen Urlaub im Süden bis hin zu meinem ersten Freund war auch ein Eintrag über die Geburt meiner kleinen Schwester zu finden. Der Augenblick, als ich sie zum ersten Mal in meinen Händen hielt, war definitiv mehr als ein einfaches Erlebnis. Obwohl ich an diesem Tag erst 14 Jahre alt gewesen war, konnte ich mich dennoch genauestens an jedes Detail erinnern. Als ob es erst gestern gewesen wäre.
Die darauffolgenden Seiten im Buch waren jedoch bis auf wenige, mit Tinte verschmierte Sätze leer. Zu gut habe ich die Zeit, als mein Opa von uns gegangen ist, im Kopf behalten. Mein Opa war immer derjenige gewesen, der mir die Tür zum Schreiben geöffnet hatte. Wegen ihm wollte ich selbst Autorin werden. Nachdem er gestorben war, schaffte ich es sehr lange nicht, meine Einträge fortzusetzen. Es fühlte sich falsch an, das Schreiben ohne ihn weiterzumachen. Mittlerweile, nach über 20 Jahren, habe ich es wieder für mich entdeckt.
Es war unglaublich. Ereignisse, die sich damals wie eine Ewigkeit anfühlten, oder teils große Veränderungen darstellten, waren gerade nur kurze Augenblicke. Augenblicke, die mehr als ein kurzer Moment waren. Augenblicke, die ich nie vergessen werde.
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