Eine zweite Chance
Tief versunken in meinen Gedanken ging ich die Straße entlang und dachte darüber nach, wie die Zukunft hätte aussehen können, wenn die Menschheit auf all die demonstrierenden Kinder und Jugendlichen gehört hätte. Heute war ein sonniger Tag, jedoch war ein sonniger Tag heute nicht mit einem damaligen, als ich noch klein war, zu vergleichen. Die ganzen Abgase, welche Autos, Fabriken, Schiffe, Kraftwerke, Kriege und Flugzeuge ausstießen, hatten die Luft so sehr verpestet, sodass sich eine dicke graue Wolkendecke gebildet hatte, die wie eine Art Mantel die Erde umhüllte. Seit mehreren Jahren sah man die Sonne nur eher als müden falben Fleck und die Sonnenstrahlen mussten sich mühselig einen Weg durch die dichten Wolckenmassen bahnen. Nur nach starken Stürmen riss die graue Schicht soweit auf, dass man das Blau des Himmels erahnen konnte. Früher hatte ich die Sonne oft dafür verdammt, dass sie mir jeden Sommer Sonnenbrände und Sonnenstiche verpasst hatte. Heute war es für mich eine Art Feiertag, wenn ich sie sah. Wenn ich die Zeit zurückreisen könnte, würde ich alles Menschenmögliche tun, damit es so eine Zukunft nie gegeben hätte. Nervenheilanstalten waren auf der ganzen Welt überfüllt, jeder wurde depressiv. Es erdrückte mich auch wie eine Lawine, die mich langsam überrollte und mir wortwörtlich Schritt für Schritt die Luft zum Atmen nahm.
Als ich am Abend ins Bett ging, dachte ich nochmal an meinen Wunsch, die Zeit zurück zu drehen, und stellte mir dabei eine Sternschnuppe vor, die auf dem für die Menschen versteckten Nachthimmel entlangschwebte. In der darauffolgenden Nacht schlief ich schlecht, vielleicht lag es daran, dass ich vergaß, mein Fenster vor dem Schlafengehen zu schließen und der stinkende Smog langsam in mein Zimmer waberte, oder dass ich wieder mal meinem Gehirn erlaubt hatte, an zu viel zu denken, weswegen es mir schwer fiel, in einen ruhigen Schaf hinab zu tauchen. Wild schlug ich um mich, meine Träume formten sich von einer Kuriosität in die nächste. Flugzeuge, die es nicht mehr schafften, in die Luft zu steigen, da die Wolkenlast zu schwer für ihre Flügel war und sich daraufhin gleich in einen Elefanten verwandelten, der seine Stoßzähne verkaufte, um ein paar Tropfen sauberes Wasser zu bekommen.
Als ich am nächsten Tag aufwachte, hörte ich ein ungewohntes Geräusch, welches ich lange nicht mehr gehört hatte. Es kam von einer Amsel, die waren aber vor zehn Jahren ausgestorben, deswegen schrieb ich es einem weiteren Traum zu. Tief atmete ich ein und wollte mich gerade noch stoppen, da stutzte ich. Die Luft schmeckte nach Sommer, Sonne, Blumen und Wald. Ich blinzelte und traute meinen Augen kaum. Ich lag als mein jüngeres Ich in meinem alten Zimmer. Es war sechs Uhr am 12. September 2022. Ich bekam also nochmal eine Chance, unser zukünftiges Leben zu verbessern.
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