Einsame Bettenbezüge
Draußen riecht es noch nach Regen, und die Blitze leiten den fluchenden Paul nach Hause. Er wollte heute mal nicht nass nachhause kommen, weil dort diesmal niemand wartet, der ihm die nassen Sachen ausziehen könnte.
Niemand der ihm Tee macht, und auch kein kleines Männlein, dem er den Früchtetee ins heiße Wasser tunken könnte. Er war es, der die Kinder wollte, und er ist es, der sie nun wieder vermisst. Jede Nacht zählt er und jeden Morgen wartet er. Bis er sie dann wieder für kurze Zeit in seinen für seine Größe viel zu kurzen Armen halten kann, um in ihren Haaren den Geruch von Zuhause zu riechen. Zuhause ist mehr als ein Ort, zumindest für ihn. Seine Kinder sind seine ganze Liebe, doch seine Liebe zu seiner großen Liebe war wohl zu klein. Zumindest sagt das seine Frau. Exfrau würde er sich ausbessern müssen, ohne es so meinen zu können. Andere Paare seien auch nicht glücklich. Lautet der Trostspruch, den er sich immer wieder vorsprechen muss, wenn ihn das Selbstmitleid zu überrumpeln droht. Doch muss man glücklich sein, um zufrieden zu sein?
Es könnte alles so einfach sein. Für ihn. Für sie beide und sie alle. Doch nicht für sie.
Sie legt sich lieber nachts in fremde Betten, deren Bettwäsche er nicht bezogen hat. Er war ein guter Ehemann gewesen, konnte kochen, konnte putzen, konnte erziehen und konnte Handwerken. Nur das Lieben konnte er nicht so gut.
Doch die Liebe holt sie sich jetzt ohnehin woanders und nennt dann ihr Alleinsein Unabhängigkeit. Freiheit. Befreiung aus eingerostetem Alltagsleben, indem man zwischen Morgenroutine und Feierabend die Gefühle liegen lässt. Auch er gibt nun sein Bestes, dieses neue Leben zwischen leerem Frühstückstisch und kalter Bettwäsche Freiheit zu nennen. Doch merkt er ziemlich schnell, dass neue Mütter schwer zu finden sind, wenn dieser Platz doch schon besetzt ist. Für immer besetzt sein wird. Zumindest für ihn.
„Können wir?“ wird sie ihren neuen Anzugträger fragen, bevor sie das Haus verlassen.
„Können wir nicht…?“, „Können wir nicht nochmal…?“, „Können wir nochmal versuchen? Ob wir zwei wirklich hoffnungslos sind?“, wird er sie weiter fragen wollen. Und doch nichts sagen.
Er fragt nicht mehr länger nach Erklärungen, fragt nicht mehr länger nach Wiedersehen, fragt jetzt nur noch nach den Kindern. Das letzte Bindeglied, der (scheinbar) einzige Unterschied, der sie beide von flüchtigen Reisebekanntschaften trennt.
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