Einsamkeit
Ich gehöre nicht hierher, habe ich noch nie. Ich bin nur hergekommen, weil ich musste…
Ich komme aus einem anderen Land, einer anderen Welt. Meine Eltern sind auf der Reise gestorben, ich bin allein.
Niemand kann mich so akzeptieren, wie ich in Wirklichkeit bin. Ich habe kein Zuhause, keine Freunde, keine Familie, keine Menschen aus meiner Heimat…. Niemanden. Ich gehe zwar zur Schule, doch das hilft mir nicht dabei, mich einzufügen. Die Lehrer können mich nicht leiden, meine Klassenkameraden verabscheuen mich aus tiefstem Herzen. Ich weiß gar nicht, warum ich noch hierbleibe, doch ich weiß, dass ich nicht zurückkann. Ich bin hier gestrandet, allein, ohne Hoffnung auf Freundschaft oder Liebe, oder Menschen, die mich verstehen. Das Einzige, das ich jemals höre, ist das „Geh bitte“ von meinen Mitmenschen. Das verstehe ich nicht, ich bin doch wie sie…. Oder nicht? Ich schaue nicht genau so aus wie sie, bin kleiner und habe eine andere Hautfarbe, doch ich bin ein Mensch… oder etwa nicht? Ich bin mir nicht mehr sicher. Jeder behandelt mich so, als wäre ich keiner von ihnen, doch ich muss einer sein. Und selbst wenn ich keiner bin, was soll ich sonst hier tun? Weglaufen kann ich nicht, ich bin gefangen auf dieser Welt, in diesem Land. Ich muss jemanden finden, der so ist wie ich, ich muss einfach, sonst vereinsame ich hier. Doch wie soll ich das machen? Selbst wenn ich nur an den Leuten vorbeigehe, sehen sie mich an, als wäre ich es nicht würdig, hier zu sein. Bin ich es etwa nicht? Gehöre ich tatsächlich nicht hierher? Bin ich jemand, der es verdient hat, ausgeschlossen zu werden? Langsam fange ich an, daran zu glauben. Der Gedanke, dass ich niemals zu den anderen gehören werde, macht mich unsagbar traurig. Wie kann man jemanden dazu verdammen, so zu leben? Ich erinnere mich an die wenigen Jahre, als ich in meiner Heimat war und meine Eltern noch lebten… Ich war so glücklich. Doch wie es aussieht, werde ich dieses Gefühl nie mehr haben…
Plötzlich bemerke ich, dass mir Tränen über die Wangen laufen. Ich wische sie nicht weg und lasse sie fließen. Es ist mir egal, dass alle, die an mir vorbeigehen, auf meine kleine Gestalt schauen, es ist mir egal, dass ich einige lachen höre und es ist mir egal, dass es zu regnen anfängt und ich innerhalb von Minuten klitschnass bin. Ich bleibe sitzen, warte, bis ich tot umfalle, denn für wen soll ich noch leben? Ich verfange mich in immer düsteren Gedanken und kann nicht zurück… Ich will nicht mehr… Doch plötzlich legt sich eine Hand auf meine Schulter und ich höre eine Stimme, die mich fragt, ob alles in Ordnung sei. Ich schaue auf und all meine depressiven Gedanken, all meine Zweifel, verschwinden. Selbst meine Hoffnungslosigkeit. Ich schaue in die Augen von jemandem, der genauso ist wie ich… Ein Fremder. Ein Fremder, der von allen ausgeschlossen und allein ist. Ein Fremder, der mir geholfen hat, indem er mir eine simple Frage gestellt hat und nicht, wie alle anderen, einfach nur sagt „Geh bitte“.
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