Einstieg bis Endevon Emil Wildfellner
Wandere langsam den schlängelnden Pfad entlang. Lasse den Wind durch meine Haare wehen.
Die Blätter liegen goldgelb, froschgrün und kastanienbraun am Boden herum. Die Sonne erleuchtet den Himmel, der sich zwischen Baumkronen hindurchzwängt.
Der Hund hechelt im selben Rhythmus, in dem ich seine Tatzen auf den Boden drücken höre. Erspähe Äpfel, die am dicht bedeckten Boden sitzen, und das Verderben ergehen lassen.
Kurz nachdem der Bus abgefahren war, hatte ich meinen Schlüssel aus dem Schloss gezogen. Ratz, er war draußen, in derselben Bewegung, in der ich die Stufen runtergehechtet bin. Zwei drei fünf Schritte später stieß ich das Gartentor auf, meinen Füßen keuchend folgend. Bäume rascheln, Gassen finden, Autos ausweichen. Ein Blauschwarzes hielt rechts, auf der Nebenfahrbahn. „Hast du‘s eilig?“ Natürlich. „Zur Schule?“ Ich wartete zielstrebig, bis die Ampel umschaltet. „Du gehst mit meiner Tochter in die Klasse, komm ich nimm dich mit“. Ampel grün, die Motoren starteten. Ein Blick auf den Hintersitz zeigte mir Marla und einen Hund, zu denen ich nach öffnen der Autotür einstieg.
Langsam schrauben sich die feinen Blätter durch die Waldluft herunter, beschreiten ihren Weg in die ewige Tiefe. Ein paar legen sich sanft auf meine eigelbe Winterjacke, ich spüre sie kaum.
Der Boden drückt sich gegen meine nassgeschwitzten Sockensohlen, die sich in meinen Schuhen wund reiben. Es wird wärmer, trotz des kühlen Herbsttaus auf den hängenden Zweigen.
Der Hund wird nun von sausenden Erdfetzen begleitet, er hat Kleintier gerochen. Gerochen und verfolgt und ist jetzt fort, tollt durch das goldene Morastmeer.
Ich saß im Auto, das dritte Mal diese Woche, Marla muss wohl nahe wohnen, ihr Vater spricht mich öfter an, öfter fast als ich den Bus tösen hörte, während ich noch die Katzen fütterte. Marla war diesmal gar nicht dabei, krank war sie gewesen seit dem Tag davor – da hatte ich den Bus noch erwischt. An den Fenstern schossen die Stifte in die Höhlen, verriegelten die Autotüren. Die Hand am Türgriff angespannt rüttelte ich vor und zurück, nicht auf. Wir bogen in die Lilienstraße, fünf Quergassen vor dem nächsten Einbiegen, hin zum hochwachsenden Schulgebäude. Eins zwei drei fünf Gassen passiert, wir bogen ein, bogen hinein in die sechste Quergasse der Lilienstraße. Weg von der hochwachsenden Bildungseinrichtung.
Der Pfad wird verwilderter, kaum zu erkennen. Die Bäume um mich herum wachsen immer höher und schmäler, drohen über mich einzubrechen.
Ich rieche die Blätter, die den hart gefrorenen Boden weich auspolstern. Wie alter, verwesender Moder, duftet nach Tod.
Der Hund bellt jetzt und ich höre ihn zurückkehren, von seinen gefährlichen Hasenjagdeskapaden. Er scharrt jetzt, durchwühlt die graue Erde, die nie wieder Sonnenlicht blickt.
Seine eisig blaue Augen starrten auf die Straße vor mir, nicht durch den Spiegel in mein Gesicht, dass mit schwankender Stimme zu fragen versuchte. „Was soll das?“ Die Faust um die Klinke. Statt Bauten sah ich Stämme und Sträucher, braune Buschmauern vorbeiziehen. „Wohin fahren Sie mich?“. Blut begann mein Gesicht erröten zu lassen, als mir Tränen aus den Augen pumpten. Marla ging mir durch den Kopf, mein Herz rasend an den letzten Blick bevor ich meinen Fuß ins blauschwarze Auto gesetzt hatte, erinnernd. „Warum tun Sie das?“ Immer heißer werdend saß ich da, die Fragen mit schluchzender Stimme hochwürgend. Nach schweigender Antwort beugte ich mich auf, sammelte Kraft und Mut, warf ich mich mit ganzem Körper gegen die Tür, die meine verzweifelten Kräfte regungslos an sich zerschellen ließ.
Ich sehe die goldbraunen Herbstblätter glänzen, tiefrot geschmückt, fühle den warmen Flecken, wie er sich aus meinem Bauch heraus durch das dicke Jackenfutter frisst und sich in leisen Perlen die Nähte entlangarbeitet.
Die Bäume sehe ich nicht mehr, viel mehr höre ich meine in den Ohren schmerzenden Schreie kaum noch. Das grauende Schwarz wurmt sich schlurfend durch die Welt herum, die langsam immer schneller um mich herumkippt. Fällt weiter, nur meine Angst bleibt aufrecht.
Der Hund winselt liegend zwei Schritte hinter mir, leckt und rauft die Blätter auf. Seine Schnauze ist nass, nass und rot und nass und warm. Seine dicke Zunge schleckt die Blätter aus, die mein Stolpern durch den Wald beschreiben.
Kurz nachdem die Bahn abgefahren ist, zieht sie ihren Schlüssel aus dem Schloss. Ratz, er ist draußen, in derselben Bewegung, in der sie die Stufen runterschlittert. Ein zwei sechs Schritte später stößt sie die Haustüre auf, ihren Füßen keuchend folgend. Schneehaufen überspringen, Gassen finden, Autos ausweichen. Ein blauschwarzes hält links neben ihr, halb über der zugefrorenen Haltelinie. „Ist dir kalt?“ Natürlich. „Zur Schule?“ Sie wartet zielstrebig, bis die Ampel umschaltet. „Du gehst mit meiner Tochter in die Klasse, komm ich nimm dich mit“. Ampel gelb, die Motoren liefen warm. Ein Blick auf den Hintersitz zeigt ihr Marla und einen Hund, zu denen sie nach Aufreißen der Autotür einsteigt.
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