Emilia und Karla
Es war Winter und der See des St. Richards Park war zugefroren. Menschen groß und klein befanden sich bereits auf der zentimeterdicken Eisplatte. Man hörte Gelächter von überall. Jedoch schien es als würden die zwei kleinen Mädchen, Hand in Hand, am lautesten lachen. Beim näheren Betrachten würde man nicht erkennen wer, wer ist. Sie schauen sich zum Verwechseln ähnlich. Emilia und Karla. Karla und Emilia. Dasselbe Gesicht. Dieselben Augen, dieselbe Nase, derselbe Mund und dasselbe Lachen. Dieselben Ohrwärmer, dieselben Handschuhe, derselbe Mantel und dieselben Eislaufschuhe. Die beiden Schwestern drehten sich im Kreis. Schneller und schneller. Bis sie nicht mehr konnten. Die beiden kamen jeden Tag her. Doch dieser sollte anders sein. Auch wenn es die beiden noch nicht wussten. Das Schicksal stand bereits fest.
Dieser Tag war anders. Er war wärmer als die bisherigen. Jedoch schien es entweder allen egal zu sein oder niemand nahm den Temperaturunterschied war. Alle liefen Schlittschuh auf der dicken festen Eisplatte, die die letzten Tage auch gehalten hat. Alle hielten sich in Geborgenheit. Keiner der Anwesenden bemerkte die kleinen Risse, die sich auf dem Eis aufgetan hatten. Das Eis schmolz langsam dahin, sodass es keiner mitbekam. Keiner. Auch nicht die beiden Schwestern, die sich mitten auf dem See befanden, nicht und sich wieder im Kreis drehten. Als es jemand schließlich bemerkte, war es bereits zu spät.
In Mitte der Eisplatte brauch das Eis mit einem lauten Knacksen. Keiner war so weit draußen, dass man den Riss bemerken würde, der langsam größer wurde. Niemand außer den Schwestern. „Emi?“, fragte eines der kleinen Mädchen ihre Schwester ängstlich. Die beiden standen sich gegenüber. Emilia war dem Riss näher als ihre Schwester. Vorsichtig versuchten sie sich ihr zu näher, doch das brachte das Eis nur noch schneller zu brechen. „Was machen wir denn nun?“, fragte Emilia verzweifelt. Die beiden dachte angestrengt nach. „Komm einfach ganz schnell rüber“, schlägt Karla vor. Beide war damit einverstanden. „Ganz schnell“, erinnerte Emilias Schwester sie daran. Erneut stimmte sie ihr zu und holte tief Luft. Innerlich zählte sie bis drei, bevor sie mit schnellen Schritten auf ihre Schwester zu rannte. Nun laufen beide auf das Ufer zu. Emilia und Karla. Karla und Emilia. Fast geschafft. Das Eis brach schneller als gedacht auseinander. Teile des Sees waren schon vom Eis befreit. Das kalte Wasser schlug um die einzelnen Eisschollen herum. Karla kam als erstes am Ufer an und wurde von anderen Menschen an Land gezogen. Als sie sich umdrehte, sah sie Emilia noch auf dem Eis laufen. Sie hatte es noch nicht geschafft, aber bald würde sie es. Blad. Sehr bald. Doch dazu würde es nie kommen. Ein Atemhauch vor dem Ufer stürzte Emilia ins kalte Wasser ein und tauchte nicht wieder auf.
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