Endlose Entscheidungen
Die Überforderung bestimmt meine Gefühle. Es gibt so viel zu entscheiden, so viel Wichtiges. Was will ich machen? Was soll ich machen? Wie soll meine Zukunft aussehen? Wo will ich in ein paar Jahren stehen? Fragen über Fragen. Es gibt so viele Freiheiten und Möglichkeiten, aber gleichzeitig beängstigend viel Verantwortung. Es liegt allein in meiner Hand, zu entscheiden, was ich machen will, was ich machen soll. Wo ich in Zukunft stehen will. All das muss ich selbst entscheiden.
Das Mädchen starrt auf das Meer hinaus, ihr Blick auf den Horizont gerichtet. Der Wind, der ihre Haare wild spielen lässt und die Meeresgischt, die sie hin und wieder anspritzt, scheinen ihr nichts anhaben zu können. In ihrem Gesichtsausdruck liegt etwas Nachdenkliches. Die Melancholie erfüllt all ihre Gesichtszüge. Aus ihren glasigen Augen tritt eine Träne, die langsam, aber bestimmt die Wange hinunterkullert.
Alle reden über Zukunft. Alle fragen mich, was ich einmal machen will, ob ich schon Pläne habe und was meine Ziele sind. Aber vielleicht weiß ich das selbst nicht? Die anderen prahlen mit ihren Ideen, andere lerne für Aufnahmeprüfungen. Und ich? Ich stehe mitten drinnen, bin hin und her gerissen. Die Einflüsse von außerhalb schwappten über mich wie eine unberechenbare Welle. Sie drückt mich nieder und lässt mich verzweifelt allein zurück. Allein in der unendlichen Weite des Wassers, umgeben von dem bedrückenden Rauschen des Meeres. Von allen Seiten höre ich Ratschläge, Ideen und Neugierde. Die Hektik ist ständig präsent, so wie die das Rauschen des Meeres. Alle erwarten von mir, Pläne zu haben, mich zu entscheiden, alles in die Tat umzusetzen und damit glücklich zu sein. Ich soll eine Beschäftigung finden, die mir Spaß macht, mich glücklich macht, ich soll genügend Geld damit verdienen, ausreichend Freizeit haben, Freundschaften pflegen, Sport machen, meinen Hobbys nachgehen. Ich soll alles Finanzielle verwalten, eine Wohnung kaufen, den Haushalt nebenbei machen. Ich soll eine Familie gründen, ich muss alle stolz machen - ihre Erwartungen erfüllen. Aber was will ich eigentlich selbst? Das Rauschen ist immer da, im Hintergrund, ich höre es immer, es beschäftigt mich immer. Bedrückend. Und wenn ich eine Idee habe und damit zufrieden bin, prasselt sofort Kritik auf mich nieder und nimmt mir meine letzte Kraft und Freude.
Enttäuscht wischt sie sich die Tränen vom Gesicht und versucht ihren Atem ruhiger werden zu lassen. Verzweifelt setzt sich das Mädchen auf einen Felsvorsprung vor ihren Füßen und stützt den Kopf auf ihre Arme. Gedankenverloren blickt sie wieder in die Ferne und wimmert.
Du bist ganz unten angekommen. Am Ende. Am Ende deiner Kräfte, am Ende deiner Energie, am Ende deiner Hoffnung. Du fühlst dich antriebslos und weißt nicht, was du tun sollst. Es fühlt sich an, als ob du Kleidung aus Stein hättest, die dich nach unten zieht bei jeder Bewegung. Es fühlt sich an wie ein Ende.
Verstohlen sieht sich das Mädchen um. Niemand zu sehen. Nichts außer das Rauschen.
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