Endstation
Das Quietschen der Bremsen reißt mich aus meinen Gedanken. Mein Arm versteift sich um den Haltegriff. Trotzdem kann ich nicht verhindern, dass die Fliehkraft mich gegen die dicht gedrängte Masse an anderen Fahrgästen drückt. Eine Wolke an süßem Parfüm und strengem Schweißgeruch erreicht mich. Meine Nase wehrt sich dagegen, diese ekelerregende Duftmischung aufzunehmen - also halte ich die Luft an. Meine Lunge beginnt zu protestieren, doch ich weigere mich einzuatmen. Endlich öffnen sich die Türen zum Bahnsteig und ich schnappe nach der kalten U-Bahn-Luft. Auf Zehenspitzen stehend lasse ich meinen Blick über die Menschenmassen um mich schweifen. Männer und Frauen, erschöpft von einem anstrengenden Arbeitstag. Studierende, am Weg zur Uni. Kinder, die sich auf einen Nachmittag im Freibad freuen. Und inmitten dem Gedränge erblicke ich eine vertraute Gestalt. Gänsehaut bildet sich auf meinen Armen und ich kann spüren, wie mein Herz einen schnelleren Rhythmus anschlägt. Ein Teil von mir möchte sich einfach klein machen und an die geschlossene U-Bahn-Türe drücken, doch ich schaffe es nicht, den Blick von ihr zu lösen. Meine Gedanken drehen sich, als ich im Schatten eines hochgewachsenen Mannes verschwinde.
Schmerzhaft drücken meine Fingernägel in meine Handflächen, während ich versuche, dem Chaos in meinem Kopf einen nützlichen Gedanken zu entlocken. In dem Moment ertönt die Lautsprecherstimme und kündigt die nächste Station an. Wieder stelle ich mich auf meine Fußballen und versuche, die vertraute Gestalt über die Schulter des Mannes hinweg im Auge zu erblicken. Für einen Moment kann ich sie zwischen den anderen Fahrgästen nicht ausmachen, doch dann sehe ich sie – ihr Blick ist auf das chromfarbene Handy in ihrer Hand gesenkt. Ich frage mich, was auf dem Display ihres Handys gerade aufscheint. Das Kreischen der Bremsen kündigt die Ankunft in der Station an. Es ist die Endstation. Mit einem Zischen öffnen sich die Türen. Bemüht, so viel Abstand wie möglich zwischen sie und mich zu bringen, lasse ich mich von der Menschenmenge auf den Bahnsteig treiben. Mein Blick wandert über das Gedränge an Menschen und ich versuche, ihre Gestalt in der regen Menschenmenge auszumachen. Wiederholt gleiten meine Augen vergeblich über den Pulk an Leuten. Ich schüttle den Kopf und kann nicht verhindern, dass eine kleine Welle an Enttäuschung über mich hinwegbricht. Frustriert über mich selbst bahne ich mir einen Weg, die Rolltreppen hinauf an die frische Luft. Meine Gedanken aber bleiben zurück im Kühlen des U-Bahn-Schachts.
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