Erdbeerkuss
In ihrem grellgelben Kleid springt sie mutig über die Sandburg. Mit ihren kurzen, speckigen Beinchen planscht sie im Wasser herum und lacht ausgelassen, nachdem sie das salzige Meerwasser von ihren Lippen schleckt. Ich wünschte ich könnte so sein wie sie. So ausgelassen und frei. Marie muss noch in ihrer ganz eigenen Welt leben. Sie würde nie darauf kommen darüber nachzudenken was die Anderen über sie denken. Sie muss noch so viel lernen.
Marie rennt aus dem Wasser zu unserer Tante und voller Übermut umarmt sie sie so wie sie ist, pitschnass. Tante Lucia lacht erschrocken und löst sich von ihr. Sie zieht sich ihr nasses Kleid aus und erholt sich von der plötzlichen Liebesattacke. Mama entschuldigt sich bei Lucia und nimmt Marie an der Hand, wobei sie ein beschämtes Lächeln auf dem Gesicht hat.
Marie merkt nicht, dass sich Tante Lucia etwas überrumpelt von ihr gefühlt hat. Sie hat auch nicht gesehen, dass sich Mama geschämt hat. Sie kann das alles noch nicht verstehen. Sie macht einfach das was ihr in den Kopf kommt. Das was sich richtig anfühlt.
Mama packt die Erdbeeren aus. Marie liebt Erdbeeren und steckt sich sofort eine in ihren Mund, dann nimmt sie sich gleich drei weitere und bekleckert dabei das weiße Kleid von Tante Lucia, das zum trocknen in der Sonne liegt. Meiner Mutter ist das ganze sehr unangenehm und ich sehe, dass sie sich ärgert.“Marie das reicht jetzt aber wirklich! Jeder bekommt erst einmal eine Erdbeere“. Sie nimmt ihr die Erdbeeren aus den Händen. Marie ist verwirrt und findet es total ungerecht, dass ihr ihre Erdbeeren weggenommen wurden. Voller Unmut beginnt sie zu jammern, dass sie ihre Erdbeeren zurück haben will und als sie merkt, dass Niemand auf ihr Klagen reagiert beginnt sie zu weinen.
Ja ich kann mich erinnern. Ich kann mich erinnern and dieses Verlangen, all meine Emotionen herauszulassen, und an dieses Verlangen, gehört und gesehen zur werden.
Mama nimmt Marie in die Arme.“Ist ja gut Marie“. Tante Lucia lacht. Marie beruhigt sich. Die Geborgenheit und der Geruch der Mama ist so beruhigend und sie fühlt sich getröstet.
Die Sonne brennt auf meinen Rücken. Ich drehe mich um und schaue in den blauen Himmel. Er ist so weit, so endlos weit. Ich lege meine Hände über meine Augen, um sie vor der grellen Sonne zu schützen.
Ich wünschte, ich könnte ein bisschen so sein wie sie. Ich hätte auch gerne noch etwas von dieser Unbeschwertheit und dieser Gleichgültigkeit. Etwas von diesem Übermut und diesem Egoismus.
Wir sollten uns etwas von den Kindern abschauen, öfters unsere Köpfe ausschalten und auf unsere Herzen hören .
Ein bisschen was von dieser Freiheit in unser Leben lassen.
Ich öffne die Augen und setzte mich langsam auf. Marie steht vor mir, ihr ganzer Mund ist verschmiert von den Erdbeeren. Ich umarme sie und drücke sie ganz fest an mich. Ihr vom Wind zerzaustes, helles Haar kitzelt mir in mein Gesicht. Sie kichert in mein Ohr und drückt mir einen dicken fetten Erdbeerkuss auf die Wange.
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