Erinnerungen
6: 00. Ich höre meinen Wecker klingeln, ich wache auf, gehe aus meinem Bett, putze mir die Zähne, mache mich fertig und gehe in die Schule. 7: 30. In der Schule trage ich eine Maske, doch keine, die man sieht. Eine Maske die die Vergangenheit und die Wahrheit versteckt. 7: 50. Ich gehe in meinen Klassenraum hinein, erste Stunde Geschichte. Ich nehme mir die Unterrichtsmaterialien heraus. Meine Sitznachbarinnen reden. Ich verstecke mich hinter meiner Schultasche. Niemand weiß, was in meiner Tasche ist, oder besser gesagt, niemand weiß, was in mir vorher geht. In meinem Kopf, in meinem Leben, was zu Hause geschieht oder in meinem Körper. Niemand weiß, wie ich zurzeit fühle. 8: 00. Die Professorin kommt herein und beginnt zu lehren. Mein Kopf ist woanders, weit weg von der Realität. Doch jetzt schreit meine Professorin mich an, wieso ich nicht zuhöre. Ich weiß wieso, aber ich ergebe keinen Laut aus mir heraus. Meine Kameraden schauen zu mir rüber. Ich kenne dieses Gefühl. Dieses Gefühl, das ich vor drei Jahren spürte. 8: 55. Pause. Ich gehe aus meinem Klassenraum raus und besuche meine ehemaligen Kameraden. Ich lache und rede mit meinen Freundinnen. 9: 00. Jetzt sitze ich wieder in meiner Klasse, doch jetzt haben wir Englisch. Normalerweise ist es mein Lieblingsfach, doch jetzt ist es anders. Ich will aufzeigen, aber entscheide mich dagegen. In dieser Stunde geht es schneller vorbei. 9: 45. Jetzt sind zehn Minuten Pause. Ich gehe mit meinen zwei Freundinnen im unteren Gang spazieren. Da ist nämlich ein Junge, den ich mag. Wie jedesmal winken wir einander zu und ignorieren uns wie zuvor. Das kommt mir bekannt vor. 9: 55. Die Pause ist um. Jetzt haben wir Deutsch. Ich mag dieses Fach sehr, denn wir lesen viel. Ich habe eine Erinnerung an Bücher, eine, wo mir jemand sie zum Schlafen vorliest. Die Deutschstunde geht schnell vorbei und die Lehrkraft ist rausgegangen. Noch drei Stunden, dann habe ich aus. Ich will aber nicht gehen. Ich will nicht, dass der Schulschluss noch einen Tag näher kommt. Noch eine Erinnerung. 10: 45. Bis jetzt ist nichts Schlimmes passiert. Mir aber schon. Meine Maske ist leicht zerrissen. Mir geht es nicht gut. Mir wird es schwindelig. Ich will es ignorieren, aber ich kann nicht. Ich rufe meine Sitznachbarin um Hilfe. Langsam wird alles dunkel und ich höre einen lauten Kreisch in meinen Ohren. Ich setze mich aus dem Klassenraum heraus. Bekam ich gerade wieder Panik? Wieso musste ich schon wieder alles so übertreiben? Meine Eltern werden angerufen und holen mich ab. Zuhause, wo ich nicht hingehöre, glaubten mir nicht und unterschätzten mich wieder. Du hast dich nicht verändert. Du wirst wieder alles verpassen in der Schule. Doch was ist mit mir? Wie geht es mir? Die Erinnerungen, die ich habe, als ich ein Kind war und was Falsches getan habe, mir am Ohr gezogen, angeschrien ohne Grund und mit meinem Bruder verglichen zu werden. Von meinem Vater nach der Arbeit ignoriert zu werden. Mir geht es nicht gut. Denn ich lebe noch in der Vergangenheit.
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