Erkenntnis des Endes
An jenem Abend, als die größte Hitzewelle des nördlich gelegenen Falun abflaute - am Abend des 16. Julis -, wurde die gesamte nördliche Region Faluns von Gewittern heimgesucht. Genau an jenem Abend fuhr Ich mit meinem Vater raus auf See. Die Schwedenflagge, die mein Vater 1981 auf das Schiff gehangen hatte, hing schlaff runter vom Segelmast, und wir sahen jetzt erst den Sturm, der auf uns zukam – nein noch viel schlimmer, es war kein Sturm es war ein Taifun, was aber noch viel erschreckender war als der Fakt, dass ein Taifun auf uns zukam, war, dass wir mitten im Nirgendwo waren, wo uns keiner weder erreichen noch retten konnte. Gerade als ich es geschafft habe alles, was in diesen 5 verstörenden Minuten passiert war, zu verarbeiten, schlug ein Blitz ein, 20 Knoten von uns entfernt. Der Blitz war riesig und dann wurde es mir schlagartig klar – ein Blitz kommt selten alleine -, eines der Dinge, die Mutter immer zu sagen meinte. Aber bevor ich überhaupt zu viel darüber nachdenken konnte, war es schon zu spät, und ein zweiter Blitz kam eingeschlagen, und das in unser heißgeliebtes Schiff, auf das Vater 13 Jahre lange hin gespart hatte. Das Wasser verschlang das Boot und die hohen Wellen kamen mit einer solchen Wucht, dass es mich immer und immer wieder gegen das noch übrig gebliebenen Schiffswrack gestoßen hat.
- ist das jetzt mein Ende?
In dem Moment musste ich nur an das Ende denken, aber war es das wirklich, gab es ein solches Ende überhaupt, denn wenn es ein Leben nach dem Tod gibt, dann müsste man das Ende dann als einen neuen Anfang bezeichnen.
Ich war so vertieft in meine eigene Interpretation des Endes, was dazu geführt hat, dass ich meinen Leichnam gesehen hatte, welcher im Meer schwamm, währenddessen sich meine Seele von meinem Körper voneinander verabschiedet hatte; zu meiner Überraschung wachte ich wieder in meinem Körper auf, aber dieses Mal war es mir dann doch ein bisschen zu unangenehm wieder aufzuwachen, denn das, was ich erlebt habe, war kein Traum, das war zu real, um einer zu sein.
Raus in die frische Luft wäre jetzt sicher keine schlechte Idee, doch in dem Moment, als ich den Zebrastreifen überqueren wollte, kam ein Lieferwagen auf mich zu. In der Fensterscheibe konnte ich ein Schild erkennen, worauf Randy geschrieben war, was vermutlich der Name des Fahrers war, der den Wagen nicht unter Kontrolle hatte, jedenfalls aber war es für mich schon zu spät auszuweichen, womit ich ein weiteres Mal starb, und trotzdem wachte ich wieder in meinem alten Körper auf.
Der Entschluss stand fest: Mir war es nicht gestattet ein Ende zu finden. Was ich mittlerweile verstanden habe, war, dass jeder Tag da ist, um so geliebt zu werden, sodass man Nichts bereut, was bedeutet: mein Leben, das ich zuvor gelebt habe, war von Angst definiert, am nächsten Morgen nicht aufzuwachen, was auch bedeutet: mein größter Fehler früher war es anzunehmen, dass es ein Ende gibt, denn ohne ein Ende zu leben heißt es sein Leben genießen zu können.
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