Es ist Herbst
Erneut schlendere ich durch die Gänge. Kopf nach unten neigend. Schaue ich nach vorne, könnte ich wieder nach hinten fallen. Ich betrete den Raum, er ist halb leer, aber die fremden Stimmen füllen ihn. Mein Platz, am Fenster, ist freigeblieben. Nun sitze ich, während sich mein Blick auf die Petunien fixiert, die im Frühjahr eingepflanzt wurden. Ich bestaune sie, Stunde für Stunde, Tag für Tag und Monat für Monat.
Es ist Winter. Die Nächte sind lang, aber die Tage fühlen sich noch länger an. Der Schnee fühlt sich an wie Staub der mich Stück für Stück bedeckt. Aus dem Fenster sind die Petunien auch nicht mehr zu sehen. Dennoch sehe ich mir an wie die einzelnen Schneeflocken am Fenster ankommen und langsam zerschmelzen, Stunde für Stunde, Tag für Tag und Monat für Monat.
Es ist Frühling. Jeder Sonnenstrahl auf meiner Haut stellt mich bloß. Jeder Tropfen des Frühlingsregen wäscht mich aber frei. Ich sitze wieder auf meinem Platz, aber nichts geschieht. Zum ersten mal gehe ich aus dem Gebäude, die Petunien waren weg. Sie überlebten diesen Winter auch nicht. Ich besuche das Beet, Tag für Tag. Ob sie wohl wiederkommen werden?
Es ist das Ende. Mein letzter Tag in diesem Raum. Aus dem Fenster sehe ich wie neue Petunien wachsen. Als man mich ruft, sehe ich zum ersten Mal nach vorne. Ich halte das Zeugnis in der Hand. Es war nicht genügend. Das stimmt. Ich muss wieder von neu beginnen.
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