Estelles Memoire
Wir lagen Hand in Hand auf dem kalten Sand. Hin und wieder platschte eine Welle des salzigen Meerwassers auf unsere Beine, während der Mond auf unsere Gesichter leuchtete.
Du warst langsam am Ausbluten, als wir die Sterne am Nachthimmel beobachteten. Keiner von uns hatte medizinische Kenntnisse und wir befanden uns mitten im Nirgendwo, an einem verlassenen Strand, also waren auch definitiv keine Ärzte in der Nähe. Wir wussten beide, dass du es nicht schaffen würdest.
Zitternd habe ich hin und wieder dein Gesicht angestarrt, weil ich sicher gehen wollte, dass du noch da warst. Ich wollte nicht, dass das unser letzter Tag gemeinsam war. Ich wollte nicht, dass du nur zu einer Erinnerung würdest. Ich wusste, dass es idiotisch war, aber ich hatte immer noch Hoffnung, dass es vielleicht weniger wehgetan hätte, wenn ich mit dir weiterredete. Vielleicht könnte ich dich vom Schmerz ablenken und dich dein nahendes Ende vergessen lassen.
„Dara, wusstest du, dass Galaxien nicht sterben können? Sie können sich ändern, aber sie können nicht aufhören zu existieren. Es ist, als ob es kein Ende hat. Vielleicht müssen wir auch nicht ein Ende haben”, erzählte ich, bevor ich ein wenig über das ruhige Murmeln kicherte, das du mir als Antwort gegeben hattest. Es ist nicht so, als ob ich enttäuscht auf deine kurze Antwort war, ich habe nur nicht erwartet, dass es so weh tut, dich so schwach und entsetzt auf dem Sand zu sehen. Ich hatte ein starkes Brennen in meinem Herzen gespürt, weil ich wusste, dass ich nichts tun konnte, um dich ein letztes Mal zum Lächeln zu bringen.
„Ich würde mir gerne vorstellen, dass wir in einem anderen Universum auch Händchen halten, so wie jetzt, während wir dann über erwachsene Sachen reden, wie Steuern und so. Ich würde mir gerne vorstellen, dass wir in einem anderen Universum zusammen alt werden konnten”, flüsterte ich hoffungsvoll, während du nachdenklich wegschautest. Ich seufzte, bevor ich dich einfach bewunderte. Womöglich warst du zu beschäftigt die Sterne anzuschauen, um mein Blick zu bemerken, aber in diesem Moment warst du alles, was mir wichtig war.
Als die Zeit verging, redete ich einfach weiter und weiter über die Chance, dass wir in einem anderen Leben noch miteinander sein konnten, und redete über all die Dinge, die wir dann gemeinsam machen konnten. Einen Moment lang hielt ich inne und ließ deine Hand los.
„Ich liebe dich”, gestand ich seufzend und erwartete ein weiteres Brummen oder Nicken als Antwort von dir. Es war aber leise, zu leise. So leise, dass selbst das Geräusch der prallenden Wellen noch lauter war.
Dann realisierte ich es.
„Dara, warum bin ich die Einzige, die noch spricht? ”
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