Falsche Vorfreude
Ich stand vor dem Spiegel und machte mich fertig. Endlich hatte ich es geschafft, ein Treffen mit meinem Freund zu vereinbaren. Wir hatten nicht viel Kontakt gehabt in den letzten Tagen, deshalb freute ich mich umso mehr ihn endlich wieder sehen zu können. Er wohnt schon ein Stück weg von mir, aber diese Pause war länger als gewohnt. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, dass er vielleicht Schluss machen wollte oder etwas noch schlimmeres passiert sei, aber so dachte ich nicht mehr, dass ich so etwas noch zu befürchten hätte.
Wir sollten uns in 2 Stunden an der Salzach treffen, dort, wo wir uns kennengelernt hatten. Mit meinem Zeitplan war ich gut dabei, ich wäre sogar etwas zu früh dort gewesen. Eigentlich dachte ich, dass nichts mehr schieflaufen könnte, doch wie aus heiterem Himmel, war plötzlich meine Bürste weg! Ich wohne in einer WG, da kann es schon einmal passieren, dass man etwas verwechselt, aber meine Bürste hatte ich in meinem Zimmer liegen, und da kommt außer mir niemand hinein. Ich wollte ungebürstet nicht hinausgehen, also suchte ich sie.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, die sich zum Glück nur als 10 Minuten herausstellte, fand ich sie. Ich glaube, dass ich vorher mit meinen Gedanken schon bei meinem Freund war, denn sie lag genau da, wo sie liegen sollte. Manchmal macht Liebe eben wortwörtlich blind. So machte ich mich nun etwas zu spät auf den Weg zu unserem Treffen. Auf dem Weg passierte Gott sei Dank nichts Ungeplantes mehr.
Als ich endlich etwas zu spät ankam, sah ich etwas, was ich nicht verkraften konnte. MEIN Freund mit einer anderen Frau in den Armen, lachend, so wie wir einst. Ich wusste nicht was ich machen sollte. Weggehen? Hingehen? Eigentlich wollte ich nur weg, aber meine Beine machten nicht das, was ich wollte. Anstatt weg, bewegte ich mich auf sie zu. In der kurzen Zeit, die mir noch blieb, versuchte ich in meinem Kopf Sätze zu bilden, aber es wollte und wollte mir nichts einfallen. In dem Moment war ich dankbar, dass ich manchmal einfach rede, ohne zu wissen, was genau ich sage.
„Was fällt dir ein? !“, schrie ich ihn an. Er drehte sich um und schaute drein, als hätte er nicht mit mir gerechnet. „Was machst du denn hier?“, fragte er mich entgeistert, als wäre es jemand anderes gewesen, der mit mir ein Treffen vereinbart hatte. Ich schaute ihn baff an, und langsam schien ihm ein Licht aufzugehen. „Hör mal, es tut mir leid, ich wollte dir nicht schreiben, die Nachricht war für jemand anderen bestimmt“, „Für sie, oder?“ fragte ich ihn traurig. Er nickte nur. Mir schossen Tränen in die Augen, und als er das bemerkte, sagte er etwas, was nur ich in MEINER Situation hätte sagen können, und was mich am meisten verletzte. Mehr, als alles, was er sonst hätte machen können.
„Geh bitte.“
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