Fangenspielervon Alexandra Aigner
Wir packen unsere Taschen und hauen ab. Weil wir nicht mehr können.
Und weil keiner seinen Anzug zum Schlafengehen auszieht.
Weils ja doch nur ein paar Stunden sind.
Und du bist ein Kind und wirfst dein Jackett auf die nasse Wiese und ein Zündholz hinterher.
Und im Pool schwimmen die Blüten von den Margeriten.
Damals noch im lauwarmen Wasser mit den Füßen.
Heute schwappt das Regenwasser über.
Über der 150 Millimetermarke lange drüber.
Und hast mich damals noch angelächelt, so mit Regenwasseraugen, so durchbohrst du mich heute mit messerscharfen Blicken und dann hast du dir Nadel und Faden genommen und mir die Lippen zugenäht.
Und deshalb breche ich aus, stürme in die kalte Nachtluft und ja, erkälte mich wahrscheinlich. Aber wenigstens bin ich nicht allein, ich habe die ganze Welt auf meiner Seite, und orangefarbenes Haar und ja, dann sind wir eben pleite.
Aber das macht nichts, weil wir zusammen pleite sind und ich sehe dich an, sehe schon wieder nur ein Kind.
Und du nimmst mich an der Hand und wir rennen.
Die Freiheit brennt.
Und unsere Zukunft ersäuft genau wie der in die Jahre gekommene Mann der nach seinem alltäglichen Ausflug in die Bar seine letzte Ruhestätte im See dahinter fand. Natürlich im Anzug. Und der Barkeeper sah wie jede Nacht vom Fenster auf den Teich, sah wie gleich doch jeder Säufer war. Und unweigerlich merkte er in Gedanken an, dass es ohne Anzug nicht so schön sein kann und das Bild sei ja ohne viel zu schade. Und ich wage es zu bezweifeln, dass auch nur einer anders dachte und gehe jede Wette ein, dass der Boden bedeckt mit Leichen ist und nenne es in Gedanken Leichenheim.
Und oh, wie wir durch die Wälder wuseln;
„Verlorene Seelen“ nennen sie uns und es war keine große Kunst zu erkennen, wem die Beschreibung wahrlich galt.
Weil selbst als Kirchenfrau in spe war mir klar, der Mann in meinem – seinem – nicht-unsrem Bett – war ein solcher Anzugsdepp.
Und vielleicht war er schon längst verbrannt und rief nach mir und hatte Angst.
Und ich dacht an seinen Leichnam. Natürlich im Anzug.
Weil ohne wäre ein solches Bild ja viel zu billig und wir Nichterscheiner viel zu wild für diese Tagein-Tagaus-Menschen.
Und wir lassen den Wald, an dem die Äste tief hängen, weil an jedem einer der Anzugsmenschen baumelt, hinter uns und widmen uns dem Knisterort.
Weil von dort sind längst alle Anzugsmenschen fort.
Und nur die Blumenkinder, Rauchvergifter, Exenküsser sind dort aufzufinden und benehmen sich wie Kinder – und spielen Fangen.
Weil sie die Alte-Zeiten-Menschen sind und die Ringe an den Fingern trägt hier jeder.
Weil die Anzugsmenschen alles Unbürokratische ganz schnell vergessen und die Alte-Zeiten-Menschen alten Zeiten Feiern schenken und über ihre Fehler lachen und trotzdem weiter Fehler machen.
Und sie – nein wir – spielen weiter Fangen, bis wir einmal mehr nicht können.
Weil die Zeit beim Rennen schneller vergeht als beim Gehen.
Weil wir zu viel gelaufen sind.
Und ich sehe in deine Regenwasseraugen und sehe am Ende immer nur ein Kind.
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