Feuer im Fluss
Freundschaft ist wie ein Feuer. , , Wie geht es dir? " Jetzt habe ich gerade einen Holzscheit hineingeworfen. , , Wollen wir mal wieder was machen? " Und jetzt noch einen. Das Lagerfeuer lodert in einem Graben, den wir gemeinsam gebuddelt haben. Mal saß ich daneben, habe Steine in den Fluss geworfen und zugesehen, wie sie im vorbeiziehenden Strom des Alltags verschwinden. Dann hast du eine Verschnaufpause gebraucht und ich habe weiter gegraben, habe Äste um die ausgesuchte Stelle zu einem Kreis aufgelegt und danach weiter auf den Fluss gestarrt. Manchmal konnte ich einen Fisch erahnen, nur einen Moment lang, bloß das Schimmern einer Flosse. Wie wenn eine Straßenbahn vorbeifährt und man kurz Gesichter erahnt, jedes mit einer eigenen Geschichte. Ich wende mich wieder dir zu, beobachte die Flammen, die mit der Melodie unserer Gespräche höher flackern. Auf die Frage hin, was du im nächsten Jahr machst, zischt die Glut. Du weißt es noch nicht und bist verunsichert, ob du am Ende nicht doch zuhause vor dem Fernseher endest. Ich rücke näher an dich heran und bekräftige dich in deiner Entscheidung, mit studieren anzufangen, doch du kannst dich nicht entscheiden was. Beruhigend rede ich auf dich ein. Da steigen kleine, orange Pünktchen über den Flammen in den Nachthimmel empor. In der Ferne türmen sich Gewitterwolken, doch wir beide wissen, dass es nicht zu regnen beginnen wird, nicht so lange wir hier sitzen. Dann bricht der Donner los, in Form deines Klingeltons. Deine Miene ist so finster wie der Himmel über uns. Eine deiner Tanten aus dem Ausland leitet einen Kindergarten, in dem soeben eine Stelle frei geworden ist. Du könntest in einer Woche anreisen, würdest dein brüchiges Schulfranzösisch verbessern und das ganze Jahr dort bleiben. Ein Blick zu mir reicht und ich weiß, wie du dich entscheiden wirst. Der erste Regentropfen trifft meine Stirn und läuft mir die Wange hinunter, doch du lächelst und holst etwas hinter deinem Rücken hervor. Natürlich, die alte Laterne, die wir aus dem Strandhaus deines Opas haben. Ihr Glas ist schon total verdreckt, aber als du mit einem zischenden Holzscheit die Kerze anzündest, strahlt das Licht genauso hell wie das Feuer, dessen Flammen vergebens versuchen, gegen den stärker werdenden Regen anzukämpfen. Du lächelst und reichst mir die Laterne. Als ich in dieser Nacht zuhause in meinem Zimmer sitze, erleuchtet sie die Dunkelheit um mich herum. In der Ferne lichten sich die Gewitterwolken bereits wieder, der Regen ist lange vorbei. Das Wachs der Kerze scheint kaum weniger zu werden, an dem Abend, an dem du abreist, leuchtet sie so hell wie an dem Tag des Lagerfeuers. Und als wir ein Jahr später an derselben Stelle sitzen, einen Graben gebuddelt, Holz gesucht haben und das Feuer entzünden, lauschen wir beide dem rauschenden Fluss und denken: , , Unsere Freundschaft ist wie ein Feuer. Eine sichere Insel im vorbeiziehenden Alltag. Und wenn wir wollen, wird es für immer weiter brennen. "
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