Fliegen
Gern würde ich weg, einfach alles hinter mir lassen, doch ich habe meine Beine verloren. Oder wurden sie mir genommen? Vielleicht hatte ich sie noch nie. Sie erzählen uns von Flügeln und vom Fliegen, um uns vergessen zu lassen, dass wir rennen wollen. Weit weg, doch selbst das bringt nichts, denn die Welt ist rund. Du läufst also, auch wenn du wegläufst, immer weiterläufst, auf das zu, vor dem du eigentlich weggelaufen bist. Also doch fliegen. Doch wie? Das einzige Fliegen das ich kenne, ist fallen. Das einzige Fliegen, das wir alle kennen, ist das Fallen. Doch es ist seltsam friedlich, wenn man sich einfach fallen lässt, denn während dem Fall denkst du nicht darüber nach, was unten ist, denn es ist zu spät dafür. Du akzeptierst den Aufprall. Sollten wir also nicht so unser Leben leben? Vielleicht, doch sie geben den Menschen Angst vorm Fallen, behaften das Wort als ein Negatives, und reden weiter vom Fliegen.
Und ich lächle zum ersten Mal seit langer Zeit, denn ich habe beschlossen loszulassen. Ich werde einfach alles loslassen. Es wird leise - wie in einem Vakuum. So stelle ich mir das Weltall vor mit seiner unnahbaren Schwerelosigkeit, dem einzigen Platz an dem ein Mensch fliegen kann, jedoch nicht atmen. Und dennoch sagen sie den Menschen wie wunderschön das Fliegen ist, denn ob die Menschen noch Luft bekommen vor lauter Druck, Meinungen und Erwartungen, das ist ihnen egal. Viele Menschen haben das Atmen aufgegeben. Lieber zeigen sie anderen ihre nicht funktionierenden, durch Geld und Macht erkauften Flügel.
Und die anderen staunen und beneiden sie, weil sie denken die anderen fliegen, und dann fühlen sie sich elender als zuvor. Sie trinken ein Glas oder zwei, rauchen und betäuben sich, füllen die Leere mit dem einzigen für sie greifbaren Gefühl von Schwerelosigkeit. Doch das ist auch nur temporär. Wenn es verfliegt, sind sie weiter am Boden denn je.
Und dann treffen sie diesen Menschen und sie denken: „Ja, du, du bist es auf den ich gewartet hab. Lass mich etwas fühlen. Lass mich fliegen“ Und einige Zeit ist alles gut. Doch dann brechen sie sich das Herz, machen einander kaputt. Denn der Mensch ist nicht geboren um zu fliegen.
Ich gebe das Atmen auf. Ich gebe das Rennenwollen auf. Ich gebe das Gerede von den Flügeln auf. Ich gebe auf zu warten, dass jemand mich rettet. Ich gebe das Solebenwollen auf. Ich lasse all die Ängste los. Ich lasse all die ungesagten Worte, die wie Geister in meinem Kopf herumschwirren los. Ich lasse einfach alles los.
Und ich fliege.
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