Fliegen
In meinem Leben hatte ich schon viel gesehen, natürlich war ich kein Weiser, bei Gott das definitiv nicht, doch sah ich schon mehr in meinem Leben, als andere in meinem Alter. Vielleicht hatte ich sogar schon mehr gesehen, als manch andere Erwachsene, die dem Wahn der Gesellschaft verfallen waren, wer wusste dies schon so genau? Fakt jedoch war, dass ich die Menschen alle hasste, dies schloss mich natürlich nicht zwanghaft aus.
Selbstsucht, Arroganz, Ignoranz, alles Teile des menschlichen Charakters. Dies waren nur ein paar von vielen Sachen, die uns allesamt miteinander verband. Ebenso waren wir einfach nur zerstörerisch, im Grunde genommen sogar naiv und was mich am meisten störte, Monster. Für mich waren wir Menschen einfach nur Bestien, welche für Geld oder Ansehen an sich über Leichen gehen würden.
Wir töteten nicht nur Tiere und Pflanzen, nein, wir töteten sogar Artgenossen, wenn nicht sogar unsere eigene Familie. Das es sich hierbei nur um einzelne Personen, sogenannte Psychopathen handelte, war mir durchaus bewusst. Doch eigentlich wären wir alle im Stande dazu dies zu tun, nur hatten eben diese Personen Schicksalsschläge erleiden müssen, welche sie dazu brachte, ihre dämonischen Fantasien auszuleben.
Wann immer mich also jemand fragte, weswegen ich immer allein und auf Alles und Jeden so schlecht zu sprechen war, führte ich demjenigen genau diese Sachen vor Augen und erinnerte mich so selbst daran, dass ich mich, sowie alle anderen Menschen zutiefst verachtete.
Mit diesen Gedanken lief ich quer durch eine Menschen überfüllte Stadt, stieß mit so ziemlich jedem Menschen, der mir in den Weg kam zusammen, war mit meinen Gedanken jedoch völlig woanders. Auch ich war einmal anders gewesen, etwas besonderes wie es viele Menschen beschreiben würden, doch genau wie alle anderen war selbst ich dem Gruppenzwang unterlegen.
Damals hatte ich mir geschworen, keiner dieser Psychopathen zu werden und genau dagegen ging ich hier und heute vor. Mit meinen, gerade einmal sechzehn Jahren zog ich einen Schlussstrich.
Mit schnellen Schritten näherte ich mich also der abgelegenen Brücke. Natürlich hätte ich es auch klassisch machen können, doch wollte ich meine letzten Atemzüge unter dem freien Himmel machen, einmal im Leben fliegen.
Auf der Brücke schloss ich noch einmal meine Augen und erinnerte mich daran, dass ich eine verdammt große Angst zu sterben hatte, jedoch nicht wie alle anderen enden wollte. Mein Atem, sowie meine Beine zitterten, ich versuchte mich zu entspannen. Das Rascheln der Bäume war gut zu vernehmen, die Sonne brannte unangenehm auf meiner Haut.
Noch einmal atmete ich ein und wieder aus, ehe ich die Augen wieder öffnete, den Himmel über mir betrachtete und wusste, dass ich dort bald auf alle anderen hinabblicken würde. Leicht lächelnd schloss ich meine Augen wieder und flog, denn ich hatte verdammt nochmal genug vom Leben, von mir selbst, aber vor allem hatte ich genug davon, zu wissen, dass ich bald eines dieser Monster sein würde.
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:
Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX