Flucht aus dem Alltag
Ring, Ring, Ring. RING! RING! RING! Müde blinzelte ich durch mein rechtes Auge. Ring. Ring. Ring. Ich schreckte auf. Ring! Ring! Ring! Träge schweiften meine halboffenen Augen durch das Zimmer. Ring! Ring! Ring! Was war das! ? Doch ich konnte die Quelle dieses nervtötenden Geräuschs nicht identifizieren. Das Radio war eindeutig ausgeschaltet und auch das Smartphone, das in meiner linken Hosentasche ruhte, gab keinen Mucks von sich. Aber dieses Läuten machte mich verrückt. Mein Blick wanderte auf den viel zu hell eingestellten Monitor vor mir. Da entdeckte ich es. Ein blaues Fenster leuchtete aus der Mitte des Bildschirms. Mit meiner rechten Hand tastete ich nach der Maus. Ungeschickt lenkte ich den Mauszeiger dahin, wo ich das kleine rote „X“ vermutete. Ich wollte gerade meinen schweren Zeigefinger auf den Mauszeiger fallen lassen, als plötzlich das Aufheulen eines Sportwagenmotors ertönte, weil der Fahrer glaubte er müsse jetzt das Gas voll durchdrücken, obwohl er sowieso gleich an der nächsten Ampel anhalten musste. Als ich meine Aufmerksamkeit wieder auf den Bildschirm legen wollte, fühlte ich etwas in meinem Genick.
Eine sanfte Brise blies durch das offene Fenster und nahm die Vorhänge in ihren Bann. Ein leises Zwitschern säumte das sanfte Rauschen der Blätter im Wind. Saftige grüne Wiesen und Wälder reihten sich am Horizont aneinander. Ich konnte meinen Augen kaum glauben. Doch es wurde immer besser. Ein kleiner bunter Vogel, flatterte durch das Fenster herein und ließ sich auf der Fensterbank nieder. Meine Arbeit, die ich noch zu erledigen hatte, der alte Computer, der nie das machte, was ich von ihm wollte und die ganzen genervten Anrufe mit Kollegen und Vorgesetzten. All das verschwamm gerade in weiter Ferne. Nur die friedlichen Geräusche der Natur waren zu hören. Vorsichtig stand ich auf und ging langsam zum Fenster. Was ein idyllischer Ausblick der sich mir bot. Insekten in allen Formen und Farben flatterten herum, Früchte, die so kräftig strahlten, wie ich es noch nie gesehen hatte, hingen von den Bäumen. Eine Kuh muhte von weit her, das Grunzen eines Schweines ertönte kurz darauf. Hinter mir konnte ich einen in herbstlichen Farben leuchtenden Wald ausfindig mache…
Hallo! Hallo! rief eine Frau in ihr Mikrofon. Zum zweiten Mal an diesem Tag schreckte ich auf. Ein etwas rotes Gesicht starrte mich an. Verdattert wandte meinen Blick auf das Fenster, aus dem in diesem Moment das Quietschen einer Bremse ertönte. Die Wälder und Wiesen waren verschwunden. Es sah aus, als sei wieder alles Leben aus den kalten Weiten der Stadt gewichen. Am Horizont reihten sich ein Hochhaus nach dem anderen aneinander. Das Rattern einer U-Bahn schallte aus der Erde. Noch etwas verwirrt schaute ich wieder auf den Monitor. Ich hatte das Anruffenster wohl auf Vollbild gestellt, statt es zu schließen, denn die Frau darauf zu sehen war, redete scheinbar auf mich ein. Sie fuchtelte wild mit ihren Händen und deutete auf die Uhr an ihrem Handgelenk.
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