Flugtempo
Ich steige auf das Laufband im Fitnessstudio und bemühe mich das Tempo zu halten, der Schweiß rinnt mein Gesicht abwärts entlang, doch ich bin zu angerstrengt um es zu merken. Mein Herz das pocht rasant, jedes Mal im selben Tempo.
„Tempo halten“, wiederhole ich immer und immer wieder leise in meinem Kopf, nur, um meinen Zug nachhause nicht zu verpassen. Fast überrenne ich eine alte Dame, die aussieht als hätte sie vom Leben schon so einiges zu erzählen. Das zu bemerken, dafür fehlt mir die Zeit, denn sie verrinnt in einem Tempo wie noch nie.
Ja, nicht nur die Zeit, gar das ganze Leben verfliegt in einem unglaublich bizarren Tempo, das von Tag zu Tag schneller zu werden scheint. Es heißt die Jahre verschwinden wie im Flug und ich gebe ihnen Recht,
doch sagt mir: In welchem Tempo fliege ich?
Jeden Tag ein unterschiedliches Tempo, zumindest nehme ich es so wahr. Alles was ich zu wissen glaube ist, dass dieses „Tempo“ ein ziemlich rasantes sein muss, denn meinen Zug habe ich bedauerlicher Weise verpasst.
Nun mache ich mich eben zu Fuß auf den Heimweg, in einem anderen Tempo als ich es noch vor fünf Minuten zum Zug gelaufen bin. Ich schlendere durch die veralteten Gassen der Innenstadt, genieße die frische Brise des Herbstes, atme einmal tief durch und das in einem angenehmen Tempo. Ich fühle meine verschwitzen Haare und sogar meine roten Wangen, denn obwohl ich diese nicht erblicke, spüre ich, dass sie in meinem Gesicht erschienen sind.
Auf einmal verfliegt die Zeit wieder sehr langsam, wenn jemand auf mich zukommen würde um mich zu fragen in welchem Tempo ich fliege, würde ich jedoch zweifeln. Ja, meine Antwort wäre unklar, denn ich bin im Glauben gewesen das Tempo zwar nicht zu kennen, jedoch müsse es ein schnelles sein.
In diesem Moment aber ist es langsam, gemütlich, fast schon als würde die Zeit auf der Stelle stehen bleiben. Ich gehe in mich, während zeitgleich alles um mich herum in einem unglaublich bizarren Tempo zu passieren scheint.
Zwei Vögel fliegen an mir vorbei, ein Postbote legt Briefe und Pakete vor die Eingangstüren der Menschen und eine junge Frau schleppt ihren Einkauf durch die Gegend. Da wird mir bewusst: Das Leben verfliegt wie im Flug und ich selbst bin der Pilot.
Ich kann zwar kilometerweit über der Erde nicht anhalten, doch ich kann das Tempo bestimmen, jeden Moment nutzen und ihn besonders machen, solange bis der Flug des Lebens endet.
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