Fort
Siehst du die Vögel gen Süden ziehen? Wie sie der Kälte hier entfliehen? Siehst du sie ihrem Ziel entgegenfliegen, stetig, ohne der Erschöpfung zu erliegen? Siehst du sie friedlich gemeinsam dort oben, als wären Streit, Kummer und Sorgen beiseitegeschoben? Als Einheit vereint, mit gleichem Bestreben siehst du sie in Frieden zusammenleben. Sie ziehen weiter.
Du blickst um dich, die Straße leer und verlassen; ein Gefühl, wie lässt es sich am besten zusammenfassen? Nicht Nostalgie und auch nicht Trauer, gedankenverloren blickst du über die vor dir aufragende Mauer, über die Dächer bis hin zum Meer, sag mir, wie fühlst du dich innerlich… leer? Die Stadt um dich herum erscheint dir grau, grau wie der Beton vom Hochhausbau, du ziehst vorbei, triffst auf Menschen und Gelächter, doch auch diese Leben machen die Welt für dich nicht echter. Du denkst an die Vögel, welche vorbeigezogen sind, siehst die Blätter des Herbstes, getragen vom Wind, denkst an die zahlreichen Leben um dich, sind sie wohl glücklich – du, ich? Inmitten der Straße bleibst du stehen, siehst die Menschen um dich an dir vorüberziehen. Sie ziehen weiter.
Schweigend führst du deinen Spaziergang fort; schweigend, denn an wen sollst du es auch richten, dein Wort? Umgeben von Orten, von Menschen, von Geschichten – doch bist du ein Teil davon? Mitnichten. Sie alle um dich, sie leben ihr Leben, manche sehr glücklich, manche gerade so eben. Alsbald erreichst du das Ende des Weges, dennoch ziehst du weiter, in Richtung des Steges, welcher sich vor dir dem Horizont entgegenstreckt, zur Abendsonne hin, von Sand bedeckt. Noch immer still lässt du dich auf den Boden nieder, und denkst nach – schon wieder – wie ließe sich das Gefühl in dir wohl am besten beschreiben? Sollst du gehen, nach Hause, oder doch noch hierbleiben? Ist es Melancholie, Sehnsucht oder Leere, wohl von allem ein bisschen, fühlst du doch die Schwere. Wieder denkst du an die Vögel, welche von dannen zogen, in Freiheit und Einheit, wie gern wärst du mit ihnen geflogen! Einige Zeit bleibt der Gedanke in deinem Kopf bestehen, doch langsam verdunkelt sich das Abendrot, und für dich wird es Zeit zu gehen. Etwas in dir hält dich jedoch davon ab, du blickst ein letztes Mal auf das Meer hinab. Ein letztes Mal denkst du an die Einheit der Vögel, ihre Freiheit, den Frieden, ihr Durchhaltevermögen, wie sie alle vereint ein Ziel verfolgen und dabei allesamt das Gleiche wollen. Schwermütig siehst du in die Ferne, doch dort! Eine einsame Möwe, auch sie fliegt nun fort. Fort, weg von der Stadt und deren Mitte, du blickst Richtung Himmel, und betest: „Bitte.“
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