Fourth of July
Eine stinkende, schwarze Rauchsäule steigt in die sternenklare Nacht hinauf. Tim Burdock hält einen großen Kochtopf übers Lagerfeuer. Doch er kocht nicht etwa Bohnensuppe, in dem Behälter befinden sich Salpeter und Zucker. Hoch explosiv. Genau das, was er braucht, um die hellste und außergewöhnlichste Rakete zu bauen.
Wie jedes Jahr wird er mit seinen Mitschülern konkurrieren. Dem, der die schönste Rakete zündet, ist die Anerkennung der anderen gesichert. Tim ist sich sicher, dieses Jahr wieder zu gewinnen. Er ist eine Berühmtheit in dem kleinen Ort und deshalb kann er es sich nicht leisten zu verlieren.
Er rührt das weiße Pulver mit einem Glasstab um. Die Mischung beginnt schon zu schmelzen.
In der perlweißen Lackierung seines Mitsubishi Lancer Evo X spiegelt sich das Flackern des Lagerfeuers wieder. Seine Familie ist sehr reich. Wenn er wollte, könnte er sich sein Auto hundert Mal kaufen, ohne dass sein Vater auch nur einen zweiten Blick auf die Rechnung werfen würde. Auf den Straßen ist sein Auto wohlbekannt und die Wände seines Internatszimmers sind förmlich mit Strafzetteln tapeziert. Als ob sich das teure Internat irgendwie positiv auf sein Verhalten auswirken würde. Ihn in einer Eliteschule wegzusperren, ist eine der wenigen Fehlinvestitionen seines Vaters.
Burdock wirft seine Zigarette in das taufeuchte Gras. Die letzten Klumpen haben sich nun endgültig aufgelöst. Jetzt ist es eine zähflüssige, gelbgraue Masse. Nun fehlt nur noch eine Prise seiner Mischung, sein Erfolgsgeheimnis. Nicht einmal er weiß, woraus sie besteht. Ihm ist aber klar, dass sie ihm den Sieg und somit die Anerkennung sichern würde. So wie immer. Aber dieses Mal würde sein Feuerwerk noch besser werden. Was ist schon eine Prise? Mehr hilft mehr!
Entschlossen kippt er das ganze Päckchen hinein. Es beginnt so fürchterlich zu stinken und zu qualmen, dass ihm die Augen tränen.
Am Abend des vierten Julis steigt Burdock aus seinem teuren Mitsubishi und alle Köpfe auf der Lichtung wenden sich ihm zu. Autos stehen herum, Musik dröhnt aus den Lautsprechern, Alkohol und andere Substanzen werden herumgereicht. Die Kisten mit Feuerwerk sind nicht zu übersehen. Mat hat genügend illegales Feuerwerk aus Tennessee vor sich stehen, um ein ganzes Haus in die Luft zu jagen.
Als es auf Mitternacht zugeht, werden immer mehr Feuerwerkskörper gezündet. Punkt zwölf Uhr zündet Burdock seine Rakete. Die Zündschnur wird kürzer und kürzer, bis die kleine Flamme die Rakete erreicht. Sie beginnt zu Zischen und zu Fiepen, bleibt aber am Boden. Es raucht und stinkt. Man kann kaum noch etwas erkennen. Spätestens jetzt wird Burdock klar, dass er einen Fehler begangen hat.
Doch wider Erwarten schießt die Rakete in den Himmel und setzt ein atemberaubendes Feuerwerk direkt über ihren Köpfen in Gang. Als es schließlich weiße Ascheflocken über der Lichtung schneit, werden bewundernde Rufe laut.
Burdock hat es mal wieder geschafft.
"Nächstes Jahr", verspricht er sich, "werde ich eine noch bessere Rakete bauen".
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