Frau Holles trauriges Liedvon Karoline Breschar
Ich bitte dich! Wie soll es denn sonst weitergehen? Mein Haus sieht grausam, verwüstet, unordentlich aus. Die Betten sind nicht gemacht, die Türen stehen alle offen, das Essen schmeckt nicht mehr und lange wurde der Abwasch nicht gemacht. Auch meine Wäsche wird nicht richtig sauber, landet noch ganz feucht und faltig in meinem Kleiderschrank. Wie soll es denn so weitergehen? Ich bitte dich, so kann es nicht gehen, so soll es nicht gehen! Das Wetter gehört auf die Erde, die vier Jahreszeiten und die Ordnung. Den langen Tag sitze ich nur da, in meinem Schaukelstuhl, der mich in den Schlaf wiegt, doch nicht beruhigt, nicht verbirgt was sich vor mir abspielt. Zur Gehilfin habe ich sie mir genommen, die Junge, die mir Arbeit abnehmen sollte, die Faule, die nichts taugt, sich nicht bemüht, nichts tut, was sie tun sollte.
Ich habe sie alle gern. Allerleih Menschen liebe ich, konnte ich schon immer gut leiden, aber sie, das geht zu weit. Sie ist faul, nichts als faul, verwöhnt und ignorant. Nicht mehr Marie nenne ich sie. Pechmarie schimpfe ich sie am liebsten, doch hört sie? Nein, das Chaos darf fortbestehen. Dürfte aber nicht, sollte nicht, doch ändern tut sich nichts. Sie streichelt die Polster mit der müden Hand, obwohl man sie kräftig schütteln sollte, damit sich weißer Schnee über die winterliche Erde legt. Das Essen schmeckt nach nichts, sie nimmt sich keine Zeit dafür, sie vergisst das Salz, die Kräuter und lässt es nur allzu oft anbrennen. Ich weiß nicht worauf ich noch hoffen soll. Keine Hilfe ist sie mir, sondern eine Last. Doch selbst tun kann ich es nicht mehr, ich bin alt, verbraucht, müde und schwach. Es ist zu viel, einfach zu viel. Ich wünschte mir nur allzu sehr, sie würde endlich aufwachen, das Chaos sehen, das sie verbreitet, den Müll, den Dreck. Das gehört alles weg! Weg! Weg! Weg!
Dass es ihr gut geht, hier bei mir, das sollte der Lohn für ihre Arbeit sein, doch arbeitet sie nicht. Ich bin wütend, sauer und enttäuscht. Oft schreie ich sie an, halte ihr Standpauken, dass ihr die Ohren dröhnen, doch ihr ist es egal. Immer sagt sie „Jaja, i mach´s ja eh glei´“, aber sagen ist nicht tun. Leere Worte, keine Taten. Der Abwasch wartet immer noch und sie liegt verschlafen auf der Couch, während Tiere und Pflanzen verdursten, verhungern, sterben. Die momentane Bequemlichkeit und ihr eigener Vorteil sind alles, was sie interessiert. Wahnsinnig macht sie mich, einfach verrückt, ich schaffe es nicht mehr, will sie am liebsten um die Ecke bringen, will sie raus haben aus meinem Haus. Aber geht das nicht zu weit? Kann es nicht anders gehen? Sollte es nicht anders gehen? Es sollte. Es tut nicht. Es sollte, doch nichts geschieht.
Würde sie doch bloß jemand leiten, diese Pechmarie. Würde doch bloß ein anderer kommen und ihr helfen, jemand mit Fleiß, Zuversicht und Mut, jemand der die Federn fliegen lässt, hinter sich die Türen schließt, sich beim Kochen Zeit nimmt, damit auch wirklich keine Zutat vergessen wird, jemand, der den Abwasch gleich nach dem Essen macht und das ganze Haus, den Garten, alles in Ordnung bringt, aufräumt, aufblühen lässt in seiner alten Schönheit. Würde so jemand kommen, die Person wäre mein Engel, mein Retter, der mich aus dem Wahnsinn hier befreit. Die Person würde ich nicht mit bösen Worten schimpfen, nicht anschreien, finster mit Blicken strafen. Diese Person wäre nicht meine Pechmarie, sondern meine Goldmarie.
„Du, i bin dann weg! ”. “Hast du dich um den Abwasch gekümmert?“. „Des mach´ i spada no“. „Nein, das machst du jetzt! Es ist wichtig, dass du endlich Verantwortung übernimmst!“ „I muass´ jetz echt los, die andern sand sicha scho alle da“. „Marie, du bleibst jetzt auf der Stelle stehen!“ „Tschühüss“.
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