Frei von dir
„Bitte geh“, schreie ich. „Lass mich doch einfach glücklich sein.“
Aber du gehst nicht. Wie auch. Du bist jetzt ein Teil von mir. Der Teil, der mir so viel genommen, mir so viele Träume gestohlen, Freude weggerissen und Tränen gebracht hat und durch den ich trotzdem so viel gelernt habe. Ich war ein Kind, so naiv und voller Hoffnung. Fast hast du es geschafft mir den letzten Schimmer dieser einst so großen Hoffnung zu rauben, aber ich war stärker.
Denn wenn ich jetzt auf dem Hügel sitze und auf die Stadt runterschaue, das Gras unter meinen Beinen spüre und der Geruch von Freiheit in der Luft liegt, wird die Stimme „Bitte geh“ in meinem Kopf immer leiser, bis sie im Moment sogar ganz verstummt. Denn ich bin angetrieben von dem Gedanken: Wenn ich jetzt mit all dem Schmerz und der Verzweiflung glücklich sein kann, dann werde ich, wenn du gegangen bist, vor Fröhlichkeit fast explodieren.
Vielleicht musst du nicht verschwinden, damit das Leben wieder Spaß macht. Im Gegenteil, vielleicht muss ich lernen zu akzeptieren, wie du mich verändert hast. Du warst immer mein Gegner, den ich versuchte aus meinem Körper zu verbannen, weil es zu sehr wehtat daran zu denken, was hätte sein können und wer ich jetzt wäre, wenn du dich nie so achtlos in mein Leben geschlichen hättest. Aber woher will ich denn wissen, ob ich diese Person nicht viel weniger mögen würde. Denn eigentlich habe ich mich gern so wie ich bin. Doch dein Dasein hält mich davon ab, dass ich mir diesen Satz wirklich abkaufe. Was soll man tun, auf wen soll man wütend sein, wem die Schuld geben, wenn man, wie früher, einfach wieder durch die Luft fliegen möchte, doch jedes Mal, wenn man zum Sprung ansetzt, merkt, dass Gewichte, so schwer wie Eisen, an einem hängen, die einen fesseln und in der eigenen Verzweiflung festhalten.
„Alles wäre gut ohne dich“ höre ich mich denken, aber wäre es das wirklich? Wer weiß, welche anderen Lasten ich auch sonst auf meinen Schultern tragen müsste. Kleinere, aber ohne dich zu kennen kämen sie mir wahrscheinlich genauso schwer vor. Doch all das bringt nichts, denn ich bin schon so erschöpft. Ich kann nicht mehr. Ich will wieder normal sein. Ich weiß, was ich brauche um glücklich zu sein, was mich alle Sorgen vergessen lassen würde und für wenigstens ein paar Minuten meine Gedanken, die meinen Kopf erdrücken wie dunkler Nebel, ausschalten könnte, aber du verbietest es mir.
„Bitte geh.“
Noch ist es nicht so weit, dass ich mich ganz von dir verabschieden darf, aber ich kann das Licht am Ende des Tunnels schon sehen. Dieser kleine Sonnenstrahl, der es an den nötigsten Tagen schafft, meinen ganzen Körper zu erfüllen und der mich zum Weiterkämpfen bewegt und mir zuflüstert, dass ich nicht aufgeben darf, denn hinter diesem Tunnel bin ich endlich frei von dir.
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