Freiheit ist Gefangenschaft
Der Himmel über meinem Kopf ist weit, und ich finde mich selbst in meiner engen Brust. Wenn er so riesig ist, warum habe ich dann nicht genug Platz? Wenn ich weiß, dass ich Flügel habe, warum kann ich sie dann nicht entfalten? Diese Welt ist ungerecht. Doch wäre sie nicht ungerecht, welches Recht hätten wir dann, unser Glück selbst zu nehmen? Welches, nach Freiheit zu streben, in den Himmel zu sehen, und uns zu wünschen, mit den Vögeln zu fliegen? Ich höre ihre Schreie und der Ton gibt meinem Schmerz eine Form. Dem schönsten aller Schmerzen: Sehnsucht. Ich lehne mich in sie, denn ich habe sie erwartet.
Der Himmel ist weiß, wenn er vernebelt ist. Wie eine leere Leinwand, auf der noch alles möglich und nichts misslungen ist. Ich tanze unter dem leeren Himmel, bis diese Leere meine eigene ist. Bis mein Brustkorb sich mit Platz füllt und ich meine Flügel darin ausbreiten kann. Wenn ich dann fühlen kann, wie sie hoch aus meinen Schultern ragen, höre ich mein eigenes Lachen in meiner Weite widerklingen. In meiner Welt, deren Grenzen der gleißende Nebel über meinem Kopf und der Horizont in der Ferne sind.
Jenseits meiner Grenzen ist die Welt nicht zu klein für uns. Sie ist so groß, dass niemand ihr ausgesetzt sein möchte. Also suchen wir nach unserem Platz und ziehen um ihn unsichtbare Mauern, die wir durchbrechen können, wann immer wir wollen, wie eine Kuppel aus Glas.
Wir wollen aber nicht, egal ob der Regenwald brennt, unsere Städte versinken, oder die Luft, die wir atmen zu Gift für uns wird. Stattdessen suchen wir neue Statistiken, alle um die gleiche Frage: Wie lange wir noch in unseren gleichgültigen Glaskuppeln bleiben können, bevor es zu spät ist, umzukehren. Nun, die Antwort haben wir gefunden: Acht Jahre, bis dahin müssen wir unsere Mauern überwinden. Bloß kann ich daran nicht glauben, ohne zu fragen, ob wir das noch können. Haben wir bloß verlernt, hinzusehen, oder sehen wir alle hin und fühlen nichts? Ich habe nur meine eigene Antwort: Ich kann noch. Ich kann und ich werde. Ich werde meine Grenzen in Scherben splittern lassen und mir ein Beispiel nehmen, an jenen, die eine bessere Welt formen, eine Welt, die Leben lässt.
Ich werde sie mir auch formen, meine neue gläserne Welt. Mit so feinen Wänden, dass ich sie nicht sehen kann, dazu wären sie mir vielleicht zu nah. Die Schreie der Vögel werden am Himmel verklingen, weil die Dämmerung sie fängt. In meiner Welt wäre mir das egal, auch wenn ich nicht frei wäre, wie sie zu fliegen. Ich würde lächeln, wenn goldenes Dämmerlicht den Himmel warmhält und sich seine Wärme in mir spiegelt. Mit drei Worten auf den Lippen: Ich kann noch. Ich würde meinen Blick auf die strömenden Menschen jenseits meines Fensters senken, die der Lichtschein zum Glühen bringt. Denn Freiheit ist Gefangenschaft. Und ich würde zusehen, wie sie alle danach streben.
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