Fremde Irisvon Maja Sailer
1er Straßenbahn. Rathausplatz.
Der Raum ist ruhig, die Luft zu warm. Ich sitze dir gegenüber.
Dunkelgraue Bleistiftadern ziehen sich über den Asphalt der Ringstraße, brechen sie auf, sprengen sie, treiben einen Keil in die Stadt, Wortsplitter spritzen in alle Richtungen, zerfurchen die Haut der Leinwand und doch bleiben wir unberührt, unverändert, gleichgültig.
Parlament.
Ich bin ich und du bist jeder im Raum. Wir kennen uns nicht, blicken uns in die Augen, erkennen, benennen so viel außer das Gegenüber, spüren die eigene Angst vor dem Nichtwissen, sehen nur uns selbst, klein.
Als Stillleben. Pupillenspiegelbild.
Verkennen nicht erkennen, kennen auch ihn nicht, wenn dann nur in Form von nutzlosen, rundgelutschten, bereits tausendmalgedachten Worten, als loses Gekritzel, als Druckertinte auf Papier, als dunkler Pixel auf hellem Bildschirm, den Krieg. Den echten, anderswo, den aus Farbe nicht aus Bleistift. Wir wollen ihn auch nicht kennenlernen.
Niemand will das.
Volksgarten.
Wir atmen die Luft einer behüteten Vergangenheit, sind Kinder des Friedens, Frieden in unseren Zeichnungen, kennen nur den Geschmack von harmlosen Sorgen und doch werden wir überflutet von dunkelschwarzen Sätzen, haben gelernt die Wortsplitter und Bleistiftrisse auszublenden, zu verdrängen, um unsere eigene Aquarellblase zu beschützen, sehen uns selbst nie nackt, kleiden uns in Privilegien, ersticken fast an ihnen, an unserer eigenen Unwissenheit, sind unsensibel geworden, schweigen gerne, sind trotzdem süchtig nach mehr, mehr schwarzen Worten, je schwarzer desto besser, ertrinken an unserem Versuch den eigenen Pinselstrich zu überwinden.
Verkennen unsere eigene Verblendung.
Heldentor.
Du und ich, wir sind keine Helden. Draußen wird die Welt niedergeschrieben, zerschrieben, zerrissen, verbrannt, aber wir, wir fahren weiter mit dem 1er, vorbei an Skulpturen, die uns erinnern, uns nicht vergessen lassen, uns ins Gesicht brüllen sollten, dass es kein Schwarz, kein Weiß gibt, kein Ende, kein Gut, kein Böse.
Und doch Böses.
Uns zeigen sollten, dass wir endlich lernen müssen, nicht nur unser eigenes Spiegelbild in den Pupillen der anderen zu sehen,
sondern die Farbe deren Iris.
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