Freunde mein Leben lang
„Heute habe ich Johanna kennengelernt. Wir gehen gemeinsam in die Klasse und wir haben uns sofort nebeneinander gesetzt. Sie ist sooo nett und wir verstehen uns richtig gut. Ich glaube wir werden für immer befreundet sein. Best friends forever“ - Ich, naiv, harmlose 10 Jahre alt in meinem Tagebuch, hatte noch keine Ahnung vom Leben.
Mein letzter Schultag für immer. Einer der schönsten und gleichzeitig beängstigenden Gedanken, mit denen man am ersten Schultag aufwachen kann. Ein Outfit lege ich mir schon seit der 4. Klasse nicht mehr zurecht und auch das „besondere“ 1. Schultags-Frühstück beschränkt sich auf einen einfachen Buttertoast und ein Glas Wasser. In den Spiegel will ich eigentlich gar nicht sehen, ich weiß auch jetzt schon, was mich erwartet: Tiefblaue Augenringe, die mich seit den letzten 7 Jahren begleiten. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie gehören Schule und Augenringe zusammen. Keine Schule ohne Augenringe und keine Augenringe ohne Schule. Vielleicht ist das auch nur bei mir so, aber das glaube ich nicht. Auch meine Haare werden wieder aussehen wie immer: ein schönes, einer Löwenmähnen ähnelndes, Vogelnest, das auch durch unzähliges Bürsten und diversen Seidenglanzshampoos einfach nicht zu einer ebenmäßigen Haarpracht, wie aus der Werbung, werden will. Aber was ist schon wie in der Werbung? Absolut gar nichts. Einer der wichtigsten Bestandteile jeder Werbung ist Musik, langsame, schnelle, fröhliche oder traurige.
Fast wie in meinem Leben, nur dass die Musik hier kein besonders tolles Produkt anpreist, sondern nur meine Schritte betont, wenn ich gehe, meine Stimmungen verstärkt und ganz klar ausdrückt, wer ich bin. Darin ist sie mir wohl einen Schritt voraus, denn auf die Frage wer ich bin, kann ich nur mit meinem Namen und einer langen Stille antworten.
In meinem Alter wissen die Meisten schon, was sie mit ihrem Leben anfange möchten, oder tun zumindest so, als hätten sie einen Plan, was ich allerding maximal einem Achtel zutraue. Und ich? Bis vor einem Jahr glaubte ich fest daran, Psychologin zu werden, da ich etwas daran fand, Menschen zu helfen. Bis zu dem einen Tag, der alles in meinem Leben veränderte und seit dem ich mehr Hilfe bräuchte, als ich je geben könnte. Es war der wohl wahrscheinlich schlimmste Tag in meinem Leben. Der Tag, an dem ich das erste Mal mit dem Tod in Berührung kam und merkte, wie wichtig mir meine beste Freundin war. Ich wünsche es niemandem, seine beste Freundin zu verlieren, die mit einem so viel erlebt hat, die einem immer geholfen hat und die auch nie ersetzt werden könnte. Sie war wohl der Teil von mir, der mich definiert hat. Ohne sie bin ich zwar Marie-Theres, 17 Jahre alt, aber meine Identität, alles was mich ausgemacht hat, wurde gemeinsam mit ihr am 4. Mai begraben.
Und jetzt sitze ich vor meinem MacBook, schreibe die Geschichte auf, wie ich zu dem unidentifizierbaren Menschen geworden bin, der ich nun einmal bin, und wie es mit meinem Leben weitergehen soll, nur dass es das nicht tut.
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