Fünfzehn
Ich habe genug. Davon, genug zu sein, davon, gut zu sein. Nie besser. Ich war immer genug, doch vielleicht genügt mir das nicht.
Meine Worte haben immer ausgereicht, doch nie erreicht. Ich treffe die Töne, aber ich singe kein Lied.
Und dann du. In jedem deiner Atemzüge ein Lied, in jeder Geste Stärke, in jedem Wort Poesie. Perfektionistisch, nicht perfekt, und das weißt du. Aber es hat keine Bedeutung, denn du bist dir selbst genug.
Ich habe gesucht, gefleht nach etwas, das mich erfüllt, mit Euphorie, Melancholie, doch letztendlich ist das Utopie. Tausend Welten in meinem Kopf und keine auf dem Papier; keine war genug, hat mir genügt, mich umsponnen und entführt, inspiriert und schließlich konkurriert – mit dem, was ich las, sah und liebte.
Also sag mir, wie, wie entspringen dir Figuren, erschaffst du Gefühle und malst du Farben – alles mit schwarz und weiß? Wie kannst du die gleichen Werkzeuge nutzen wie ich und doch so viel mehr erschaffen?
Ich war immer genug, doch vielleicht genügt mir das nicht.
Mit Leichtigkeit sammelst du Freunde, als wäre die Welt ein Kartenspiel, dein Spiel; und du baust dir ein Kartenhaus, das heller strahlt als barocke Paläste, während ich marode Mauern vor dem Einsturz bewahre.
Und als wäre das nicht genug, hättest du mich nicht ausreichend beschämt, hast du dich mir zugewandt. Mir deine Hand entgegengestreckt und gesagt es ist genug; du bist deine eigene Liebe wert.
Aber ich habe genug. Davon, genug zu sein, davon, gut zu sein. Nie besser. Nie Konkurrenz für Menschen wie dich, nie fähig, über das Ziel hinauszuschießen. Ich brauche dein Mitleid nicht, ich habe genug von Heuchelei und Empathie. Nicht dir muss ich genug sein, nur mir selbst.
Also hör auf, Lasten von mir zu nehmen, mich mit dir zu ziehen in deine Welt, denn es ist deine Welt. Fliegen kann ich nur in meiner.
Ich war immer genug, doch vielleicht genügt mir das nicht.
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