Futurisma, das sind wir
Wie konnte dies geschehen? Wie hatten drei Jahre Schrecken und Chaos am Ende zu einem solchen Zusammenbruch führen können? Nun stand ich da. Ganz allein. Inmitten von Schutt und Asche. Rauchwolken und eingestürzten Gebäuden. Kein Laut war zu hören, nur das Pfeifen des Windes, der die Spuren der Geschehnisse verwehte. Noch nie hatte die Welt so grau gewirkt, so leblos und kalt. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Langsam drehte ich mich im Kreis, nahm alles um mich herum auf, wie die Luft zum Atmen, welche doch so knapp geworden war. Und obwohl der Anblick erschreckend war, war ich nun doch hier und spürte die Erlösung. Weil es zu Ende war. Ich beschloss, mich umzusehen. Während dem Gehen überquerte ich zerstörte Straßen und wich leblosen Körpern aus. So viele Leichen, überall. Kinder und Tiere. Auf einmal wurde mir unfassbar schlecht und ich begann zu würgen. Doch alles, was herauskam, war Galle. Nachdem mein Magen aufgehört hatte, zu rebellieren, setzte ich meinen Weg fort. Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der ich über vieles nachdachte, kam ich auf dem Hügel an, den ich in schöneren Zeiten oft besucht hatte, um mich im Schatten der Linde auszuruhen. Früher war ich hier mit meinen besten Freundinnen. Der Krieg hatte seinen Preis und uns viel genommen, zu viel. Seufzend legte ich mich unter den Baum, ins weiche Gras und schloss die Augen. Vom Rascheln der Blätter begleitet, fiel ich langsam in einen ruhigen Schlaf. Plötzlich stand ich inmitten eines Blumenmeeres, welches sich über Hügel und Felder erstreckte. Als ich mich weiter umsah, konnte ich in der Ferne Häuser erkennen. Es waren diese typischen Cottages, die Gärten besaßen und von Efeu überwachsen waren. Ich fühlte mich wie in einem Bilderbuch. Es wirkte alles so surreal und doch so echt. Da ertönte Kinderlachen und ich drehte mich um, um zu sehen, wer da kam. Es war ein kleines Mädchen mit dunklem, fast schon schwarzem Haar und genauso dunklen Augen. Sie war wunderschön und, mit ihren Sommersprossen, welche ihre Stupsnase zierten, so niedlich, wie noch kein Kind zuvor. Sie begrüßte mich lächelnd und nahm wie selbstverständlich meine Hand. Als ich ansetzte, zu reden, legte sie ihren Finger an den rosaroten Mund, der an die Farbe vom Saft frischer Erdbeeren erinnerte. Gemeinsam gingen wir durch die duftenden Blumen, bis wir vor einer großen Tafel aus Marmor stehen blieben, „Lies“, sprach sie zum ersten Mal. Und ich las. „In Erinnerung an all das, was wir durchmachen mussten, und die Menschen, die wir verloren haben. Im Glauben an eine bessere Zukunft, die Gegenwart ist. Im Glauben an eine Gemeinschaft, die eins ist. Im Glauben an den Frieden, die Liebe und die Hoffnung. Dass wir nie aufgeben und immer kämpfen werden. Komme, was wolle. Futurisma, die Stadt der Zukunft. Das sind wir, heute, für morgen.“ Gerührt sah ich zu dem Mädchen, doch dieses war verschwinden. Und so wachte ich friedlich auf und beobachtete mit Liebe im Herzen und einem Plan im Kopf, wie die Sonne unterging.
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