Drei Minuten
Kennen Sie das, wenn Sie in einer Großstadt sind und aufgrund Fremder oder dummen Ereignissen den Anschluss verpassen? Mittwoch, 17: 57: U3 Wien. Wie sonst auch um diese Zeit stellen Sie sich die Frage, ob Sie überhaupt noch in die U-Bahn passen werden. Sie stehen da, U3 Stephansplatz auf dem Weg zum Westbahnhof um nach Hause zu pendeln, weil das müssen Sie schließlich Tag ein Tag aus tun, um Ihren Job in der Stadt auszuüben.
Genau dann… Genau dann hören Sie die Durchsage, die sicherlich den Menschen neben Ihnen das Leben auch nicht leichter macht. Die Stimme im Lautsprecher berichtet, dass die U3 Verspätung hat. Verspätung. Panisch schauen Sie, wann die nächste U-Bahn kommt. Sie blicken auf und suchen die Anzeigetafel… U3 OTTAKRING _ 4.
„Geht sich mein Zug noch aus? !“
Während Sie vier Minuten warten, überlegen Sie sich, wo Sie stehen müssen, um am Westbahnhof schnellstmöglich zu den Gleisen zu kommen. Dort zu stehen, spart Ihnen zwei Minuten. Die U-Bahn kommt, Sie steigen ein und in der Zeit, in der Sie vor sich hin dösen, fahren Sie in der Station Herrengasse ein. Ihre miese Laune wird noch schlechter, als ein Herr einem anderen die Tür aufhält. „Ge bitte! Was soll das?“, murmeln Sie. Jede Sekunde, die Sie aufgrund anderer in der U-Bahn verbringen, vergrößert die Chance den Zug zu verpassen. Nun dauert der Weg, der normalerweise 10 Minuten beansprucht, schon 15 - und um 18: 20 fährt der Zug, den Sie unbedingt erwischen wollen.
Schweißgebadet fahren Sie um 18: 16 in die Station des Westbahnhofs ein. Die U3 bietet dort natürlich noch den Bonus, dass sie im Keller des Kellers einfährt. Viermal müssen Sie Treppen hinauf um zum Gleis zu kommen. So ein Scheiß! Bevor Ihre Türe aufgeht und Sie loslaufen können, werfen Sie noch einmal einen Blick auf Ihr Handy. 18: 17. „Drei Minuten. Drei Minuten“ geht durch Ihren Kopf. Und obwohl die Situation Sie vollkommen aus der Ruhe bringt, versuchen Sie Ihr Bestes zu geben um den Zug zu erwischen. Während Sie in Ihren Gedanken versunken die ersten zwei Rolltreppen hinauflaufen, bemerken Sie, dass die kommende Stiege genau das ist. Eine Stiege. Ohne maschineller Hilfe. Mit mehr Gepäck als normalerweise versuchen Sie Ihren Weg nach oben zu meistern. Oben angekommen sind Sie außer Atem, keuchen und schwitzen. Okay, das wäre geschafft. Eine Rolltreppe noch.
„Das geht. Ich schaff´ das.“
Zum Glück steht niemand auf der Rolltreppe. Sie muss zwar erst Geschwindigkeit aufnehmen, aber zumindest können Sie ohne Probleme die Treppen hinaufgehen.
Die Tür vor Ihnen öffnet sich. Sie sehen das Bahngleis und in diesem Augenblick Ihren Zug. Sie laufen los. In diesem Moment. In diesem Moment fährt der Zug los. All die Mühe umsonst. Jeder Schritt hinauf. Jedes Ärgern. Alles umsonst. Sie drehen sich um, gehen zurück ins Bahnhofsgebäude, suchen einen Sitzplatz und verbringen die nächsten 50 Minuten mit warten. In dieser Zeit hätten Sie bereits zu Hause sein können. Und so schwören Sie sich, das nächste Mal früher loszugehen.
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